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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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Augen nicht auf, die sonst so durchdringend scharf in der Seele des Andern zu lesen schienen? – Fürchtete sie sich vor der Leere im Zimmer? Es war noch heller Tag.
    Es war etwas nicht, wie es sein sollte. Sie hatte eine andre Sprache, andre Mittheilungen erwartet. – Glatt wie ein Aal! – Aber vielleicht trug sie selbst die Schuld! Was hatte sie sich ihrer Bitterkeit überlassen? Was interessirten ihn Adelheids Liebesverhältnisse! – Darum war er zerstreut, brach plötzlich ab in Sinnen versunken! – Sie athmete auf; ihre Wange röthete sich etwas. – Aber – es war doch etwas nicht, wie es sein sollte. – Warum sprach der große, herrliche, seltene Mann nur in Räthseln, warum auch gegen sie die Hieroglyphensprache? – Hätte sie ihn falsch verstanden? Er, vor dessen Augen die Hüllen der Menschen, der Dinge, in Krystall sich verwandelten, und er schaute bis in die Keime der Thaten und Gedanken, hatte er auch in ihr Inneres einen Blick geworfen und –
    In dem Augenblick knarrte die Thür, der neue Bediente, Christian, trat etwas ungeschickt herein, indem er, um die Thüre zu schließen, den Rücken zeigte. Der Rücken zeigte nur die Livree seines Vorgängers. Die Lupinus stieß einen Schrei aus, sie fuhr zusammen, wankte; vielleicht wäre sie gefallen, wenn ihr Arm nicht die Lehne eines Stuhls erfasst hätte. – »Johann! – ungeschickter Mensch – wie kann er mich erschrecken!«
    »Aber gnädige Frau, ich komme ja nur, wie Sie befohlen –«
    »Er soll nicht hinterrücks hereinschleichen, Christian. Meine Nerven vertragen es nicht.«
    »Aber die Kinder, gnädige Frau, das Mädchen besonders, sie ächzen und piechen – ich glaube immer, denen hat's Einer angethan.«
    »Lügner! – Unverschämter Verleumder!« – Mit einem zornfunkelnden Blick schoß sie an ihm vorüber nach der Kinderstube.
    Der Bediente sah ihr kopfschüttelnd nach, und reckte sich dann in der Livree, die nicht ganz zu seinem breiten Rücken passte. Eine Naht riß: »Ich glaube, in dem Hause passt mir's so wenig als in dem Rocke. Solche Bälger zu bedienen, und eine solche Frau! Ich weiß zwar nicht eigentlich, was Nerven sind, aber ich glaube, meine Nerven vertragen es auch nicht.«
    Als nach einer Viertelstunde die Geheimräthin zurückkehrte, lagerten seltsame Stimmungen auf ihrem Gesichte. Der Anblick der Kinder war gewiß ein widerwärtiger gewesen, der Schauder sprach sich deutlich aus, aber darüber war ein Ausdruck, wie ein Mondenstrahl, der durch zerrissen Gewölk über eine offene Gruft streift. Es fröstelte sie, sie machte eine Anstrengung, als wollte sie auf die Kniee fallen: aber – vielleicht versagten ihr die Kniee den Dienst, sie hob die Arme und rieb die Hände, als wollte sie sie zum Gebet falten. Auch das musste sich an etwas stoßen. Sie ließ die Arme sinken, und fiel selbst aufs Sopha. Hier den Kopf im Arm, flüsterte sie: »Es sind abscheuliche Kinder! aber ich will mich zwingen, sie zu lieben – ich will sie pflegen, wie – wie – ich will's an ihnen gut machen.«
     
Vierzigstes Kapitel.
     
Bei Josty.
    Beim Schweizer Kuchenbäcker Josty unter der Stechbahn traten mehrere Offiziere in Gala-Uniform ein. Heller als das Gold und Silber ihrer Achselbänder und Schärpen leuchtete die Freude auf ihren Gesichtern. Zum Theil schien diese selbe Empfindung auch auf denen der Gäste aus dem Civil zu strahlen. Es war ein großer Fest- und Feiertag in Berlin. Die Gruppen von Neugierigen wollten den Schloßplatz und den Lustgarten noch nicht verlassen, obgleich in diesem Augenblick nichts mehr zu sehen war, als die Truppen, welche in ununterbrochenen Zügen in der Königsstraße und über die lange Brücke in die Friedrichsstadt zurückmarschirten. Aus den geöffneten Fenstern schallte ihnen noch manches Hallo! und Vivat! und Hurrah! und manche geschmückte Dame wehte mit dem Taschentuch. Auch trugen der große Kurfürst und seine Sklaven Guirlanden und Kränze von den Blumen, die der späte Herbst in den Gärten darbot.
    Aber das Schauspiel war ein anderes als neulich das der durchmarschirenden Truppen. Diese waren nicht mit Staub bedeckt, an ihren Gamaschen klebte nicht der Koth der Landstraße; sie funkelten im glänzendsten Paradeanzug und nur der Puder ihrer wohlfrisirten Haarlocken stäubte auf das dunkle Blau ihrer Monturen; sie rückten auch nicht ins Feld, sondern kehrten von einer Paradeaufstellung zurück. Es waren die auserlesenen Regimenter Möllendorf, Knebel, Rheinbaben, die Grenadiere Prinz August

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