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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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weil er überhaupt nicht las, aber aus seiner Jugend, aus der Ammenstube, wusste er doch, was ein Feenmärchen ist. – Zuerst hatte ihn die Luft wunderbar angefächelt, wie einen, der nach langer dunkler Haft ans Sonnenlicht gerissen wird, oder wie den Trinker, der aus dem Keller in's Freie tritt. Unten hat er es noch nicht gefühlt, jetzt aber dreht sich die Welt um ihn, und der Boden wankt unter seinen Füßen. Der Rippenstoß eines Korporals, dessen Rotte er in seinem Schwanken vermuthlich zu nahe gekommen war, hatte ihn wieder zur Besinnung gebracht. Es war kein Traum gewesen, auch keine Erscheinung aus einem arabischen Märchen, vielmehr nichts als die Besiegelung dessen, was er längst ahnte, vielleicht wusste, und in der Stadt munkelte es schon. Er sollte nicht mehr lange Kriegsrath bleiben, er war zu Höherem bestimmt. Diese Bestimmung drückte sich auch in seiner Haltung aus, wie er am Tische in der Ecke neben einem andern Manne gesessen, und mit demselben dem Anschein nach ein eifriges Gespräch gepflogen hatte.
    Der andre Mann, ungefähr im Alter des Kriegsrathes, oder etwas älter, war in seiner Erscheinung just das Gegentheil. Sein fein geschnittenes, intelligentes Gesicht war durch ein Paar kleine graue, ins Blaue spielende. Augen, wenn sie mit Eifer auf einen Gegenstand fielen, lebendig. Sonst hatte es mehr einen kalkulatorischen Ausdruck, jene verschrumpften, doch nicht unedlen Züge, welche ein beständiges Nachdenken über
plus
und
minus
ausdrücken, jene Absorbirung von allem was Impuls oder Phantasie heißt. Wenn aber die Augen aufblitzten oder auf einen Gegenstand zuckten, bewegte sich wohl um die Lippen ein sarkastischer Zug. Sein Haar, weißblond von Natur oder weiß vom Alter, schien schon lange den Puder als etwas Ueberflüssiges abgestreift zu haben. Es fiel schlicht, eben nicht sorgsam gekämmt, auf den Hinterkopf und um die Schläfe herab. Daß er eben so wenig Umstände mit der Toilette wie mit der Frisur machte, verrieth der Ueberrock von grobem Tuch und einem dick übergelegten Kragen. Seine Hände, die auf dem Tische lagen, waren weiß und fein, seine Füße dagegen, die er weit vorgestreckt hatte, schienen grob wie die blauen Strümpfe und die dick versohlten Schuhe.
    »Also keine Mariage nicht!« hatte der Mann mit den graublauen Augen gesagt, und zwei Gläser mit Granatwein gefüllt, worauf der Kriegsrath das eine nach einigem Bedenken ergriffen und mit ihm angestoßen hatte.
    »Ueberdem ist sie auch noch zu jung,« setzte er hinzu, und das halb ausgetrunkene Glas auf den Tisch.
    Der Andere sagte: »Alter schützt vor Thorheit nicht, und zu jung ist keine nicht, um sich nicht zu verplempern.«
    Der Kriegsrath spielte etwas verlegen oder verletzt mit der silbernen Dose, einem Präsent seines Ministers: »Nun was das Verplempern anlangt, mein Herr van Asten, so dünkt mich –«
    »Mein Sohn hätte sich verplempert – meinen Sie vielleicht,« fiel der Kaufmann ihm ins Wort. »Wenn auf meinem Kornboden zwei Säcke geplatzt sind und der Roggen und Waizen liegen untereinander, da kümmert's mich wenig, welcher Sack zuerst platzte, sondern wie ich die Körner auseinander bringe, oder mitsammen verwerthe. Unsere Säcke sind Gott sei Dank noch nicht geplatzt, da halte ich nun fürs Beste, daß Jeder seinen an sich nimmt und sich nicht um den andern kümmert. Sehen Sie, aufrichtige Leute kommen bald zu Rande, und das, was sonst ist, soll uns nicht kümmern, und wir bleiben gute Freunde. Darum erlaube ich mir noch ein Mal an Ihr Glas anzustoßen.«
    Der Kriegsrath seufzte; der Andere hätte es recht gern zur Gesellschaft gethan, nur um die Einigkeit vollkommen herzustellen, der alte van Asten konnte aber nicht seufzen.
    »Mein hochverehrtester Herr Kriegsrath, mit Ihrem Permiß, ich lese Ihre Gedanken. Daß die jungen Leute jetzt auch ihren Willen haben wollen, das gefällt Ihnen nicht. Sie seufzen: ehedem war's anders! Habe ich gar nichts dagegen. Ehedem wog man ein Pfund Pfeffer mit Gold auf, jetzt kostet's ein paar Groschen. Ehedem bezahlte man mit Pfeffer seine Wechsel. Wenn mir jetzt Einer damit käme, würfe ich ihn die Treppe runter. Ist so mit Allem, mit der kindlichen Liebe, mit der Freiheit, der Erziehung; der Marktpreis ist ihr Werth. Steht darum geschrieben, daß wir den Marktpreis nicht machen können! Man muß nur geschickt operiren. Mein Herr Sohn will auf dem Kopf stehen, Ihre Mamsell Tochter auch. I nu, so lassen wir sie, bis sie müde werden. Daß sie's aber werden, dazu

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