Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
Vom Netzwerk:
Offiziere eintraten, und Alle, die es hörten, sahen sich verwundert an:
     
    Nicht Salomon und Titus – wozu Namen
    Der Vorzeit! Sind wir Neueren so arm? –
    Nein, Alexander, Friedrich , Arm in Arm,
    Stehn da, ein Brüderpaar. Zu Preußens Adler kamen
    Die Adler Rußlands! Jubelnd sieht Berlin
    Sie über sich vereinten Fluges ziehn.
    Sie stehen vor dir, Arm im Arm.
    O glückliches Berlin! Sprich aus die schönen Namen!
    Wer sind die Menschenfreunde? Sprich!
    Wer? – Alexander, Friederich!
     
    Daß das Gedicht ausgezeichnet schön sei, darüber war nur eine Stimme, aber einer der eingetretenen Offiziere begriff nicht, wie solch ein Blitzkerl von Zeitungsschreiber augenblicklich von den Evenements Witterung habe, daß er auf der Stelle im Stande sei, sie drucken zu lassen, und gar in Versen! »Und,« sagte ein anderer, »daß man's drei Mal in der Woche erfährt, was vorher passirt ist! Erst muß es doch geschrieben werden, was schon eine verfluchte Arbeit ist, und dann gedruckt und verkauft.« – »'s ist auch 'ne schwarze Kunst,« lachte ein Anderer. Herr Josty, mit der Flasche Euraçao in der Hand, flüsterte den Herren zu: »Und was werden Sie erst sagen, wenn wir alle Tage ein Blatt bekommen, was uns jeden Tag von den Kriegsevenements avertirt. Sehn Sie mal gefälligst in der Ecke hinterm Ofen den Herrn im grünen Rock und Nankinghosen. Das ist Herr Professor Lange. Der giebt ein solches Blatt heraus, es soll Telegraph heißen. Morgen schon kommt die erste Nummer. Die Leute werden sich den Kopf überschlagen.« – Die Offiziere vigilirten den »verfluchten Kerl«, der mit dem Bleistift Notizen machte, und stritten ob seine Ohren oder Nase spitzer wären.
    Auch der Herr Kriegsrath Alltag hatte diesen Tag nicht alltäglich begangen. Auch er hatte in der Konditorei des Herrn Josty eine Tasse Chocolade genippt, was zu jener Zeit, als wir ihn kennen lernten, ein außerordentliches Evenement gewesen wäre. Aber schien er doch selbst ein Anderer geworden. Der gestickte blaue Rock war zwar schon etwas über die Mode hinaus, jedoch vom feinsten Tuch, das sauberste weiße Halstuch war über das Jabot geknüpft und feine Brüsseler Manchetten spielten um die knappen Aermel. Frisch gepudert war das Haar, und der Zopf mit neuem glänzenden Seidenband umwickelt. Die goldene Uhrkette hing um einen Finger breit länger auf die schwarz taffetnen Beinkleider, und die gestreiften Seidenstrümpfe mit den silbernen Schnallenschuhen deuteten unverkennbar auf ein nicht alltägliches Evenement. Und das war es, wo der Herr Minister ihn gewürdigt, ihn aufzufordern sich im Schloß zu gestellen, er wolle schon für einen Platz sorgen, daß er die Majestäten recht von nahe sähe. Hatte er ihn nicht selbst dort an die Treppe gestellt, wo die hohen Herrschaften vorbei mussten? Wenn er sich nicht ans Geländer zurückgedrückt, so weit als möglich, hätte ihn da nicht das seidene Kleid Ihro Majestät der Königin fast berührt? Durch eine glückliche Schwenkung der Schleppe hatte der Page es noch vor dieser Berührung bewahrt. Der Kriegsrath war erröthet vor Schreck. – Welcher neue Schreck aber! – Kaiser Alexander, der die Königin am Arm führte, war auf dem Podest einige Stufen über ihm stehen geblieben, damit die hohe Frau Athem schöpfe. Seine Majestät, der hinter ihnen ging, war natürlich auch stehen geblieben, und auf derselben Stufe, auf der die Füße des Kriegsraths standen. Zwar war die Stufe breit, aber es war dasselbe Brett, und der Kriegsrath fühlte unter seinen Füßen die Bewegung, welche der Fuß Seiner Majestät verursachte. – Und es war noch nicht Alles. – Excellenz, der Minister, sein Gönner, flüsterte dem Könige einige Worte zu, und – er traute seinen Ohren nicht, aber es war so – er hörte seinen Namen. Der König hatte sich darauf umgesehen, hatte ihn angesehen und die Worte gesprochen: »Treuer Diener seines Herrn. Freue mich.« – Er hatte es gesprochen, wirklich und wahrhaftig, und es war noch nicht Alles. – Als die hohen Herrschaften auf dem Podest sich in Bewegung setzen wollten, war der König bei ihnen, und sagte der Königin etwas ins Ohr, und die Königin wandte auch ihr Gesicht zum Kriegsrath nieder, und er hörte die Worte:
»Ah c'est lui!«
– War das neue Täuschung, oder war es auch Wahrheit, sie hatte ihm von oben freundlich zugenickt.
    Wie der Kriegsrath nachher von der Treppe herunter gekommen, wie auf den freien Platz, das wusste er selbst nicht. Er las nie ein Märchen,

Weitere Kostenlose Bücher