Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
kann man schon was thun. Wenn ein Materialist einen Jungen in die Lehre nahm, ehedem kriegte er Schläge nach Noten, wenn er naschte. Es hat wohl nicht immer geholfen. Jetzt lässt sein Prinzipal ihn so viel Syrup nippen, und Rosinen und Mandeln naschen, als er Lust hat. Ein, zwei Mal den Magen verdorben, und er ist curirt auf sein Leben. Und so ist's mit dem eignen Willen auch, und mit der Freiheit und mit, was sonst ist. Sie kommen retour, sage ich Ihnen, wenn man's nur recht anfängt. Lassen Sie nun Ihre Demoiselle Tochter in meinen Herrn Sohn verliebt sein, ganz geruhig, bis sie sich übergeliebt haben. Glauben Sie mir, das kommt über kurz oder lang, denn satt macht die Liebe nicht, und zanken werden sie sich auch, und verknurren, wenn man sie nur lässt, und dann kommt die lange Weile, die rothen Augen machen auch nicht schöner. Aus Wochen werden Monate und aus Monaten Jahre. Sieht ein hübsches Mädchen erst eine Falte im Gesicht, die nicht fort will – ich will gar nicht sagen Runzel – da guckt wohl ein kleiner Gedanke raus: ja wenn ich den nicht zurückgewiesen hätte! Oder den! Dann wird der Liebste auch nicht grade sehr freundlich angesehen, wenn er zur Thür rein kommt, und auf einer seiner Runzeln steht: ich habe noch immer nichts! Sieht er nu in ihrem Gesichte, was sie in seinem sieht, na – und so weiter, und am Ende – sie weinen, sie fühlen sie haben sich getäuscht, es wird geklatscht dazwischen, dafür braucht man gar nicht zu sorgen, und am letzten Ende nimmt die gehorsame Tochter den ersten besten, den der Papa ihr zuführt. Und überlässt man's dann den Muhmen und Gevattern die Sache zu arrangiren, so kommt's am letzten Ende raus: sie hat ihn von Kindheit an geliebt.«
Dies war ungefähr das Gespräch, welches die beiden ältlichen Herren vor dem Eintritt der Offiziere geführt, und das durch das laute Vorlesen des Gedichtes unterbrochen war. Der Kriegsrath schüttelte den Kopf als er seinen Hut nahm.
»Gefallen Ihnen die Sentiments nicht von Salomon und Titus?« fragte der Kaufmann und griff nach einem Zeitungsblatt.
»Sie sind sehr schön,« entgegnete der Kriegsrath, »nur begreife ich nicht, wie man so etwas zu drucken erlaubt. Dadurch wird ja der Bonaparte avertirt, was hier passirt ist.«
»Sehr richtig bemerkt,« sagte van Asten, und sein schlaues Gesicht wollte gewiß noch etwas sagen, aber der Kriegsrath gab, als der vornehmere Mann, das Zeichen, daß er genug gehört, indem er sich mit einer leichten Verbeugung empfahl. Der Vornehmere muß das letzte Wort behalten. Aber als er durch die Offiziere den Weg nach der Thür suchte, waren offenbar diese die Vornehmeren. Sonst liebte er doch nicht die Offiziere, aber mit verbindlichen Verbeugungen schlängelte er sich durch ihre Füße, welche die Herren sich nicht besondere Mühe gaben aus dem Wege zu ziehen. »Das war der Vater von dem schönen Mädchen,« sagte ein Garde du Corps zu dem Rittmeister, der seine glänzenden Reiterstiefeln auch nicht um einen Finger breit zurückgezogen hatte. Der Cornet lachte: »Was sprechen Sie zu Dohleneck von schönen Mädchen! Für meinen Onkel ist nur Eine schön, und wenn die Eine nicht, so mag die Anderen der Teufel holen und die Papas dazu.«
Der Rittmeister, der am Fenster saß, trommelte an die Scheiben, »Krieg! Krieg! das ist das Beste.«
»Zum Avancement!« lachte der Chor. Die Unterhaltung ging auf dies wichtige Thema über, wichtiger als Alexanders Ankunft, als der Streit, ob die Königin dem Kaiser zuerst die Hand gereicht oder er nach der Hand gegriffen, wichtiger als der Krieg selbst. Man stritt über die Ernennung eines Kapitäns zum Major. Einige wollten sie gelesen haben, Andere leugneten es. »Es steht heute drin.« – »Es steht nicht drin.« – »Her den Wisch!« Mit einem Satz war der Cornet nach dem Tisch gesprungen, an dem van Asten saß, und hatte ihm die Zeitung aus der Hand genommen: »Wir wollen etwas nachsehen.«
Es musste noch etwas Anderes vorgefallen sein. »Wollen Sie etwas?« fragte der Cornet und ließ seine Pallaschscheide auf die Diele klirren, indem er sich zum Kaufmann umkehrte, als dieser sich mit einigem Geräusch erhoben hatte.
»Mich nur gehorsamst entschuldigen,« sagte van Asten und zeigte auf sein vorgestrecktes Bein, »daß Herr Cornet von Wolfskehl auf meinen Fuß treten mussten! Haben sich doch hoffentlich keinen Schaden gethan?«
»Ich glaubte es wäre ein Holzklotz. Excüs!« sagte der Cornet und hoffte auf einen beistimmenden
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