Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
Bett gelegt, um zu schwitzen. Es war ihr lieb, daß Johann nicht hörte; er schlief also wahrscheinlich. »Dem thut es mehr Noth,« dachte sie, »und Lupinus kann sich selbst helfen.«
Der Geheimrath schlug brummend die Thür zu, und musste sich wohl selbst geholfen haben. Sie hörte nichts mehr. Auch die Fliegen hatten sich wieder zur Ruhe begeben. Aber nach einer Weile schellte sie nach der Jungfer. Sie schellte immer stärker und die Jungfer musste aus dem Bette.
Als sie ins Zimmer kam, war die Geheimräthin eigentlich in Verlegenheit. Sie wusste nicht, warum sie nach ihr verlangt.
»Befehlen Frau Geheimräthin vielleicht Cremor Tartari? Oder soll ich Kamillenthee kochen?«
»Nein, mir ist ganz wohl,« sagte die Geheimräthin. Aber im nächsten Augenblick sagte sie, morgen früh solle zum Hofrath Heym geschickt werden: »Und ganz früh. Hört Sie, Lisette. Damit Sie ihn noch zu Hause treffen. Und ich ließe ihn dringend ersuchen, mich zu besuchen, ehe er zur Prinzeß Ferdinand fährt. Die hält ihn immer so lange auf. Ja, hört Sie, es soll ihm recht dringend gemacht werden, denn ich fühle, ich werde sehr krank werden. Und er kann auch für den Johann gleich ein Recept verschreiben, die Sache muß doch endlich zu Ende kommen.«
Wenn ängstliche Träume ein Zeichen der Ungesundheit sind, musste die Geheimräthin sehr krank sein. Es waren nicht mehr Fliegen und Spinnen, sondern lauter Marionetten, die ihr keine Ruhe ließen. Da kam der fieberkranke, blasse Johann und sprang mit zusammengehaltenen Beinen und fragte sie, ob es nun nicht bald mit ihm zu Ende ginge? Dann füllte sich die Schlafstube mit der ganzen Gesellschaft vom vorigen Abend, lauter Gliederpuppen, die an Drähten vom Schornstein aus geführt wurden. Sie tanzte und das Holz klappte unangenehm. Wenn sie am Bette vorbeikamen, gähnten sie und fragten: ob es nicht bald Schlafenszeit wäre? Gern hätte die Geheimräthin gesehen, wer den Draht führte, aber sie konnte, wie sie auch sich anstrengte, den Kopf nicht in den Schornstein zwängen, und wenn es ihr einmal gelang, schoß eine neue Figur herunter und schreckte sie zurück. Dazu klappte ihr Mann als Pantaleone immerfort durch die Stube, und hauchte sich in die Hände und sagte, ihn fröre, und wer ihn nur heiß machen könne! Da rief eine Stimme aus dem Schornstein, deren sie sich nicht entsann, aber gehört hatte sie dieselbe schon ein Mal: Wenn's weiter nichts ist, man braucht ja nur alle die Puppen zu verbrennen, das giebt ein gutes Kaminfeuer. Und dann war es ihr, als ob alles um sie her verbrenne. Sie gerieth in Angst, daß sie mit verbrennen könne und hüllte sich in ihr Bette, bis eine wohlthätige Transpiration ihrer Natur zu Hülfe kam, und sie in einen tiefen, ruhigen Schlaf einhüllte, der so lange andauerte, daß sie erst aufwachte, als das freundliche Gesicht des Hofrath Heym mit den durchdringenden blauen Augen sie anschaute und er mit seiner etwas kreischenden Stimme ihr den Morgengruß bot: »Na, da leben Sie ja noch, Frau Geheimräthin; hab' ich doch wirklich nicht anders geglaubt, wie das Mädchen reinstürzte, als Sie wären schon maustodt.«
Siebentes Kapitel.
Der Staatsmann.
Wir führen unsere Leser in die Wohnung und die Geschäftszimmer des vornehmen Mannes, dessen flüchtige Bekanntschaft wir in der Gesellschaft gemacht. In seinem Hause, unter seinen Untergebenen, war der wirkliche Geheimrath ein anderer Mann. Man könnte sagen, er sei um einige Zoll gewachsen; der von den vielen huldreichen Verbeugungen gekrümmte Rücken war hier gerade geworden. Er war aber um deswillen kein großer und auch kein gerader Mann.
Im Vorzimmer warteten Expectanten. Die trüben Mienen verriethen, daß nicht Jeder Hoffnung hatte, vorgelassen zu werder. Sie wandten sich an die durchpassirenden Beamten. Wie viele große Männer hätte ein Neuling da zu entdecken geglaubt, wenn sie freundlich zuhörten, sich an der Binde zupften oder die Schultern zuckten. Und doch waren es nur Schreiber und Boten. Ob einer von ihnen sich in den Winkel ziehen und zu einer vertraulicheren Verständigung hinreißen ließ, will ich nicht verrathen haben.
Das Zimmer, wo der Geheimrath empfing, war geräumig, halb mit Aktentischen und Repositorien, halb mit den Bequemlichkeiten und dem Luxus eines reichen Lebens ausgestattet. Auf den Fauteuils und kleinen Tischen lagen zerstreut in elegantem Einband die neusten Werke der französischen Literatur. Am Ende des Aktentisches saß ein jüngerer Rath, in den
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