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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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natürlichen geworden. Die eisernen Röhren, zerschlagen, waren als Prellpfeiler an den Straßen benutzt.
    Walther lehnte sich an eine Arcade. Grau lag Gegend und Stadt vor seinen Füßen; von den geputzten Menschen drang kein bunter Flimmer über die Dächer, vom Geräusch kein Ton herauf. Er war einsam, nur die Krähen schwirrten um die Kiefern. Kalt die Luft, grau der Himmel, grau war es in ihm.
    Es war grau nicht seit heute erst. Mit geschlossenen Augen verfolgte er ein Schauspiel; die Träume seiner Jugend gingen an ihm vorüber. Der Ehrgeiz, der schon in des Knaben Brust gespielt, wie oft hatte er sie geschwellt, wonach hatte er nicht die Hand gestreckt! Was war jetzt sein? Wie vieles davon hatte er, mit männlichem Entschluß, es nie wieder anzusehen, selbst in die Rumpelkammer verschlossen. Die Dichterlerche wollte wirbelnd in die Lüfte steigen; hatte er nicht geträumt von Lorbeerkränzen und seinen Namen an die Säulen geschrieben gesehen, wo die glänzendsten stehen! Eine Schamröthe flog über seine Wangen. Dann – und dann, es waren Schaumwellen, und er lächelte. Aber er lächelte nicht mehr bei einem andern Gedanken, seine Hand presste sich krampfhaft an die Brust: Und auch das könnte ein Traum gewesen sein? – Liebt sie dich denn? – Er wollte die Frage, die wie Hammerschläge auf sein Herz pochte, fortdrängen, was gehörte sie hierher! Er glaubte sie heut wenigstens überwältigt zu haben; andere Gedanken hatten ihn hergetrieben. Aber wie neckisches Echo rief sie wieder aus jedem Winkel.
    Endlich schwieg das Echo, aber er sann einer anderen Frage nach, und seine Brust hob sich wieder: War das sträflicher Ehrgeiz, Jugenddünkel? Ist es mir den Adlern erlaubt aus der Wolkenhöhe auf die Erde zu schauen? Dringt des Menschen Geist nicht tiefer in die geschaffenen Dinge, fliegt er nicht höher als der Vogel? Was tiefer, höher! War das Ehrgeiz, daß er ein tiefes Uebel des Gemeinwesens erkannt, daß der Drang ihn übermannt, es vor der Welt hinzustellen und zu rufen: Helft, und so könnt ihr helfen! Wie ernst geprüft, studirt hatte er, dann nach vollster Ueberzeugung seine Gedanken ausgesprochen: so klar, deutlich; es musste ja Jedem, der die Augen nicht verschließen will, einleuchten. Und wo er anklopfte, verschlossene Thüren; wo er sprach, lächelte man. Hatte ihn Jemand widerlegt? Man hatte von schönen Gedanken gesprochen, aber wie die Welt sei, blieben es ja doch nur Chimären. »Sie hätten die ganze Welt für eine Chimäre erklärt, wenn der Schöpfer, ehe er das Werde sprach, die klugen Leute befragt hätte!«
    Und seine Schrift! War ihm nicht das seltsame begegnet, daß der Verleger, Herr Mittler auf der Stechbahn schon nach einigen Tagen, als er sich einige Exemplare zurückholen wollte, ihm lächelnd erklärt, daß sie sämmtlich vergriffen wären? – Verkauft? Alle bis auf das letzte, und – Niemand in der ganzen Stadt sprach davon! Weil es wenige politische Schriften jener Zeit gab, erregten sonst auch die unbedeutenderen Aufsehen, und von seiner wusste Niemand, Niemand fragte ihn danach, keine Zeitung hatte sie erwähnt! –
    Sein Auge streifte nach den Krähen hinaus. Dachte er an die Märchen von Raben, welche gestohlene Pretiosen in ihre Nester tragen? Da blinkte es allerdings golden in dem Krähenneste zu seinen Häupten, aber es war ein Nachmittagstrahl, der das rauhe Geflecht anröthete. Die Wolken waren gebrochen, und die Sonne goß mit gesparter Kraft ihren Goldschein auf einen Theil der Gegend. Sanssouei mit seinen Metallkuppeln fing den vollsten Strahl auf. Die Schnörkelspitzen der Dächer glühten, es musste warm werden auf der Terrasse, warm wie ein später Herbsttag es zulässt, und Waltern fröstelte auf der windigen Höhe.
    Die Thore waren geöffnet und unbewacht. Die Wege waren mit welkem Laub überstreut. Das Knistern seiner Schritte rief kein lebendes Wesen herbei; wen seine Beine trugen, war nach der Stadt gewandert. Ja, es war laue Luft auf der Terrasse und Walter müde. Er setzte sich auf einen der Steine, unter denen Friedrichs Hunde ruhen. Es stand ein verwitterter Name darauf. Ob unter Allen, die jetzt lebten, einer das Thier gekannt, das ihn trug! Und doch hat sein Name Antwartschaft auf Unsterblichkeit!
    Die Orangerie war längst in die Glashäuser geschafft, es sah leer, wüst und zerstört aus. Nur einige von den Riesenkürbis, die man nicht der Mühe werth hielt fortzutragen, faulten am Boden. Die hohen, bis zur Erde reichenden Glasfenster des

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