Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
reiten.«
»Ein ehrenvolles Attest für uns!« bemerkte St. Real. »Gewiß!« stimmten Alle ein.
»Wenn es seine irdische Krone verlöre, hätte Preußen auf die himmlische Anspruch, die den Friedfertigen verheißen ist.«
»Wir sind Feinde, Herr von Eisenhauch,« wandte sich Laforest zum Sprecher, während die Fürstin zum Fenster hinaussah. »Feinde, aber in Einem kommen Sie doch mit mir überein?«
»Ich gebe nichts auf.«
»Auch nicht die Hoffnung, daß man hier noch Politik machen kann?«
Der Jubel draußen galt dem Erscheinen des ritterlichen Kaisers. Zwei Schritt begleitete die Fürstin den Gesandten; seine Miene schien ihr noch etwas mittheilen zu wollen. »Was soll's noch, Excellenz! Die Orlogfahne flattert.«
»Sie kann wieder abgenommen werden.«
»Jetzt nicht mehr.«
»Aber später.«
»Die Kluft ist zu groß.«
»Ueber die tiefste weiß die Diplomatie Brücken zu schlagen, wenn das Interesse es fordert. Wir sind Feinde, in Einem kommen Sie aber doch mit mir überein?«
»Keine Allianz!« rief sie mit nervöser Heftigkeit.
»Mit den Ideologen oder Germanomanen. Ich bin kein Dichter, aber vielleicht ein Prophet. Ich sehe die Brücke gespannt, die Rußland und Frankreich einst verbindet.«
»Was wollte Laforest eigentlich?« fragte ein Russe, nachdem der Kaiser vorüber geritten, und die Gesellschaft sich wieder schweigend zusammen fand.
»Auf die Frechheit den Hohn setzen!« rief Eisenhauch.
»Belauscht hat er wenigstens nichts, was er nicht schon weiß,« versicherte Bovillard.
Der Legationsrath erwiderte: »Vielleicht nur uns beschäftigt, um unsere Aufmerksamkeit von dem abzuziehen, was wir nicht wissen sollen. Die erlauchte Frau steht in Gedanken versunken?«
»Ueber dem aufgewühlten Chaos hinzutänzeln wie auf Blumenwiesen ist die Kunst dieses Lebens,« sagte die Fürstin Gargazin. »Wer immer die Risse sähe und die züngelnden Flammen! – Ich liebe die Diplomaten, welche in jeder Situation die Dehors beobachten.«
»Frau Baronin Eitelbach!« meldete der Jäger.
»Unausstehlich,« schien auf den schwellenden Lippen der sanften Frau geschrieben; aber über die Lippen kamen nur die halb verhallenden Worte: »Auch die jetzt! Und wir stehen auf Kohlen!« wobei ein strafender Blick auf den Legationsrath fiel; der aber blieb bis auf ein leises Achselzucken unbeweglich. Es war die Protestation der Unschuld. »Sehr willkommen!« sagte die Fürstin laut, und als die Gemeldete eintrat, war der Schauer des Unmuths von Lippen und Stirn verschwunden, oder versteckt in dem herzlichen Embrassement.
»Auch meine liebe Baronin! Ich weiß nicht, ob die Ueberraschung größer ist oder die Freude!«
Dreiundvierzigstes Kapitel.
Das Gespenst von Sanssonci.
Theilten nur die mit Sternen und Bändern die fieberhafte Stimmung? Auch unter dem schlichten Bürgerrock schlugen warme Herzen, bang, sehnsuchtsvoll, der Entscheidung entgegen. Nicht Alle vielleicht, nicht Viele unter Vielen, aber Alle fühlten, was es galt. Wenn nicht das Vaterland selbst, doch seine gefährdete Ehre. Und es war eine mächtige Blutströmung damals, weil der Glaube sie trug, daß sie unerschütterlich stehe am Firmament, angefestet mit dem Gestirn, das Friedrichs Ehre heißt.
Unter Denen, die in dem langen Korbwagen aus Berlin gekommen, wusste man gewiß so wenig von dem, was im Schlosse vorging, als die in glänzenden Equipagen und mit blasenden Postzügen herübergerollt, es wussten. Und doch, obgleich ihre Ohren nicht so fein gespitzt, ihre Augen nicht so geschärft waren, um aus dem Schütteln einer Handkrause Schlüsse zu ziehen, was den Mann in dem Augenblick bewegte, der das Hemde trug, obgleich alle die feinern Vermittelungen, Organe und Bezüge ihnen abgingen, welche die Erwählten mit dem in Verbindung setzen, was ihnen als Herz gilt, doch wussten diese Massen weit mehr als Jene. Ein Tropfen Blut färbt ein Glas mit Wasser, ein Wort, eine hingestreute Nachricht, durchfliegt, bewegt, entzündet die Massen. Jene üben die Kritik der Phantasie, um ihre Denkkraft zu zersplittern bis zur Nichtigkeit, Diese lassen sich berauschen von einem Wink, Blick, Schall, ohne ihn zu prüfen. Jene legen die Empfängniß auf einen Destillirkolben, der auch den Diamant in Rauch zersetzt, bei Diesen fällt sie in den Zauberkessel des Glaubens, und steigt und schwillt zu einem riesigen Dunstphantom in die Lüfte.
Warum konnte denn Kaiser Alexander nach Berlin gekommen sein, warum hatte man ihn nach Potsdam feierlich abgeholt?
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