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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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Warum hatten sich die hohen Herrschaften als Familie abgeschlossen? Warum war der Erzherzog Anton da, und die hohe Generalität in Gala? Es muß eine systematische Depravation vorgegangen sein, wenn das Volk bei außerordentlichen Akten an eine Komödie denken soll. Es war Vieles in Preußen vorangegangen, was das Volk geschmerzt, gekränkt, es hatte viele Männer hassen gelernt, und hielt andere für fähig, es täuschen und verrathen zu wollen, aber das die höchsten Behörden, Minister und Generale, die Regierung in ihrer Gesammtheit, daß der Hof, der König und der Kaiser ein großes Schauspiel vor ihm aufführe, hinter dem eine andre Wahrheit lauert, als die sichtbare, das hielt damals das Preußische Volk für unmöglich. Es glaubte an die Wahrheit wie an die Ehre seines Staates.
    Weil es glaubte, war es froh. In der Freude das Maaß der Schönheit beobachten ist nicht allen Völkern gegeben. Die Lustigkeit brach roh heraus. Wenn der Kosack die Peitsche wirbelte, jubelten sie ihn an, sein Hurrah erwidernd: »Los auf die Franzosen!« Man reichte den Söhnen des Don die Schnapsflaschen. Die Flaschen gingen auch im Volk von Mund zu Munde. Des alten Fritz Name, der Name Roßbach schallten unter einem Gelächter, daß Manchem die schönen Namen in der Gesellschaft leid thun konnten.
    Das musste auch Einem so gehen, der sich unter die dichtesten Haufen gemischt; er wollte die Volksstimme hören. Aber Walter van Asten fand nirgend die Volkstimme, die er suchte. Ihm schien die Freude empörend, mit der man dem Kosacken die Hände schüttelte, seine Stiefel, Sporen betastete, den Schweif seines Rosses streichelte. Einer im Haufen machte den Spaßvogel. Mit wankenden Füßen und rothaufgedunsenem Gesicht, malte er den Zuschauern, wie Napoleon bei Noßbach laufen würde, wofür schallendes Gelächter und Jubel ihn belohnte.
    Wo waren denn die Patrioten, die Walter suchte? Er musste in einer bösen Stimmung sein; wo er ging, wohin sein Auge fiel, sah er nicht was er erwartet. Im Volke Rohheit, blödsinnige Hoffnungen, in den Andern verbissene Wuth, militärischen Uebermuth oder Kammerherrngesichter.
    Er hatte auf ein Schauspiel gehofft, auf eines, das aufgehn werde, wie die Sonne am Frühlingsmorgen, auf einen Auferstehungstag des Preußischen Volkes. Wenn die Trommel wirbelte, eine Reiterschaar durch die Straßen sprengte, Aller Augen nach dem Schlosse sich wandten, wenn dann – die Fenster aufgerissen, der König an die Brüstung träte, an der Hand die schöne Königin, zur Seite der ritterliche Freund. Wenn er an die Brust fasste, die Hand zum Schwur gen Himmel hob: »Gott sei mein Zeuge, ich kann nicht anders. Was ich gethan, er weiß es, um die blutige Entscheidung zu sparen. Er wollte sie mir nicht sparen. Mein Volk, es ist kein Krieg um eitlen Vortheil, es gilt die Erhaltung deiner selbst, unsrer theuer errungenen Selbstständigkeit, es gilt Preußens mit Füßen getretene Ehe, es gilt den Augenblick, den nichts zurückkauft. Mein Volk, es gilt unser Dasein. Dies Wort ist Krieg und mein Volk wird zu mir stehen!« – Und das Volk wäre mit einer Stimme, mit einem Laut in des Königs Worte eingefallen. Dann hätten Thränen perlen mögen im festesten Auge, dann Jeder an die Brust des Andern fallen, dann die Arme sich zum Schwur erheben, ein Laut in die Wolken, nicht Jubel, Freude, Musik, ein Laut der Einigkeit zwischen Fürst und Volk.
    Die Trommel wirbelte oft, es blieben Präludien. Kavallerieschaaren preschten flimmernd und klirrend durch die Straßen, es war der Wind, der im Aehrenfelde rauscht. Nur eine Melodie summte alle Viertelstunde ihm in die Ohren, das Glockenspiel auf dem Thurme:
     
    Ueb' immer Treu und Redlichkeit
    Bis an dein stilles Grab,
    Und weiche keinen Finger breit
    Von Gottes Wegen ab.
     
    Er folgte den welken Blättern, die der Wind vor seinen Füßen trieb; ihm gleich wohin. Er folgte ihnen aus der Stadt, hinaus aufs Feld, auf die Höhen. Ehe er es selbst wusste, stand er auf dem Ruinenberge, der das unter ihm liegende Sanssouei und die noch tiefere Stadt beherrscht. Die Laune des großen Königs baute Trümmerwände eines römischen Cirkus hierher, die Arena sollte das Wasserreservoir werden, aus dem die Fontainen in Sanssouei und der Stadt gespeist würden. Das Werk mißlang, und der König gab es auf. Er war müde geworden des Kampfes mit den Menschen und der Natur. Die künstliche Ruine, von Unkraut überwuchert, von aufschießenden Kiefernbäumen umstanden, war selbst wieder zur

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