Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
Palastes waren golden von der Sonne angeglüht. Der Reflex des Lichtes blendete ihn, und doch sah er immer wieder hin: »als wären es seine großen Augen!«
Wenn diese Augen herab sähen, wenn sein Geist jetzt in den öden Sälen wandelte! Wenn das zur Strafe an der Schwelle der Ewigkeit dem Größten seines Jahrhunderts diktirt wäre, zurückzukehren als Schemen und zu sehen, hören, einzuschlürfen den Schmerz, wie Staub und Wetter, Moos und Rost seine Schöpfung umzogen! Noch nicht zwanzig Jahre vergangen, und wo war seine Herrlichkeit!
Klopfte es nicht an die Fenster, war es nicht sein Finger, der voll Unmuth dagegen hämmerte? – Auch die körperlosen Wesen haben nicht die Macht, sie sind nur der Schwamm, der die Feuchtigkeit der Luft einsaugt, die Aeolsharfe, die vom Wind bewegt wird, die Seele, die den Weltschmerz empfangen muß; aber keine Thräne, kein Wehruf, nicht das Blinken der Augenwimpern ist ihnen vergönnt, ihren eigenen Schmerz den Lebendigen kund zu geben!
Walter war ein Romantiker gewesen, an Geister glauben, war damals sein errungenes Recht. Aber an Friedrichs Geist glaubten die Romantiker nicht. Das Licht des achtzehnten Jahrhunderts war ein anderes, ein künstliches, selbst verfertigtes von einem nüchternen Geschlechte, blasse Strahlen werfend wie Mond und Nordlicht, keine Wärme verbreitend. So hatten sie gelehrt, so hatte er geglaubt. An einem andern Lichte müsse der Geist entzündet werden, an einem andern Feuer das Blut erwarmen. Nicht durch die Vernunft,
numine afflatur
der Geist. So steigt er in die Höhen der Seligkeit, wo das Auge trinkt aus einem Silbermeer der Wahrheit und Gnade, bis es trunken wird von Klarheit und Wonne. So hatten sie gelehrt und er hatte geglaubt. Dazwischen lagen freilich Jahre, und andere Gedanken hatten wie der Widerschein eines Weltbrandes in seiner Seele gezuckt. Was er noch lehrte, glaubte er nicht mehr, und was er glaubte lehrte er nicht mehr. – Ist denn nicht alles Licht aus einem Quell, der Funke, den der Titane stahl aus dem verschlossenen Schatz der Ewigen, und keine Fluthen, die der Himmel herabgießt, löschen es mehr! Dort mattes, frostiges Licht, es wärmt nicht; hier züngelnder Flammenschein, er sengt, verwirrt dich, sein Feuerhauch verzehrt dich vielleicht. Was ist besser? Seitdem war er aus der Schule ins Leben übergegangen. Er hatte aus der Pflanze, aus dem Stein ihr Licht gezogen; er suchte wieder nach einem, aus dem alle Lichter kommen und das Leuchten in allen Zeiten.
Aber das Licht, das aus Friedrich leuchtete, war ihm ein kalter Schein geblieben. Man sagt, wer ein Romantiker gewesen, wer einmal aus dem Zauberquell getrunken, und aus der Erde die geheimnißvolle Wurzel riß, der höre immer summen und klingen die Zauberweisen, die ewigen Klagen und das ewige Hohngelächter der Natur, die nach Erlösung ächzt; es sei der Venusberg, der sich immer wieder aufthut Dem, der aus ihm entronnen: sagen die Verständigen. Aber ich liebe die Schatten der Wälder, wenn mir zu heiß ward zwischen den Gluthöfen und ihren dampfenden Schornsteinen, unter dem Strahl der Saaten-reifenden Mittagssonne. Dann strecke ich mich auf das schwellende Grün unter ihren Riesenästen, und lausche dem Vogelgesang, dem Rieseln der Quelle, die an ihren Wurzeln spielt. Die Vögel und die Quellen singen: Und wurden diese Bäume denn geboren, als es Nacht war, weckte nicht auch sie der lebenzeugende Strahl aus dem Schoß der Erde, strebten sie nicht zum Licht und breiteten ihre Wipfel nach dem Sonnenreich! Wehe dem armen ausgebrannten Menschengeschlechte wenn es auch gar nichts mehr hört von dem Rauschen der Zauberwälder.
So dachte vielleicht der ehemalige Romantiker Walter van Asten. Und Friedrichs Erscheinung war ihm wie die eines übelwollenden Gnomen, in eine Welt gesetzt zu der er nicht passte. Da saß er auf der Brunnenröhre – das Bild kam ihm wohl von dem bekannten, der König nach dem Tage von Collin – den Dreimaster verschoben auf den schlecht gepuderten Locken und zeichnete mit dem Stock Figuren. Der Tabak lag dick auf seiner Schoßweste, die Augen wühlten glanzlos im Sande; er hatte keine für die liebende Theilnahme seiner Genossen, die ängstlichen Blickes um ihn standen. Und wenn dieser Friedrich eine Welt in sich trug, so war es vielleicht eine aus einem anderen Jahrhundert, aus anderen Zonen über dem Ocean. Er war verfrüht und isolirt auf dieser Scholle. Die Freunde der Jugend, wenn er deren gehabt, hatten die Wellen der Jahre
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