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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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fortgespült; er saß, ein eigensinniger Greis, der nur auf sich hörte, mißtrauisch gegen Alle, ein Einsiedler in der neuen Welt, die nicht mehr seine war. Seine großen Augen sahen nicht den Wechsel der Geschlechter, nicht neue Jugend um sich, und andere Ideen, die mächtig sich empor rangen aus dem Deutschen Volke.
    »Was sähe denn jetzt dies große Auge?« rief er unwillkürlich laut. Aber als er seines aufschlug sah er eine Erscheinung. Unfern von ihm auf einem anderen Steine saß Friedrich. Uebergebückt, die Locken überschattet von der schiefen Spitze des alten Hutes, zeichnete er mit dem Stock im Sande. – Die Erscheinung verschwand nicht, als Walter die vom Sonnenlicht geblendeten Augen rieb; es waren aber nicht Friedrichs Augen, als die Erscheinung den Kopf wandte und ihn fragend ansah.
    »Des großen Königs Auge, meinen Sie?« sagte der alte Mann, und ein Seufzer machte sich Luft. Er war ein Militär aus Friedrichs Zeit, und Walter wegen seiner Täuschung zu entschuldigen, wenn nicht schon der Abendsonnenflimmer und die Träumereien es übernommen. Der Typus eines bedeutenden Mannes drückt sich unwillkürlich seinen Dienern und Bewunderern auf.
    Es giebt Momente, wo zwei Unbekannte sich ihre Gedanken ablesen, ehe sie ein Wort gewechselt. Der Blick und die Physiognomie allein thun es nicht; es ist der Ort, die Stunde, das Licht, die Luftschwere oder deren Leichtigkeit. Sie können Jahre lang sich begegnen, Worte tauschen, und bleiben sich doch fremd, es ist der Zauber des Augenblicks, welcher die Seelen aufschließt.
    Der Weg zum Gespräch war kurz, wo Beide sich entgegen kamen.
    »Was war denn ein Vaterland,« rief der Major mit dem Stock in die Erde bohrend, »als er die Franzosen lieben lernte, was sie ihm jetzt zum Verbrechen machen! Ich alter Mann lese nicht viel neue Bücher, doch aber einige, und ich lese es mit Schmerz, wie die Jugend den Einzigen richten will. Wie war es denn damals? Sehen Sie um sich, so weit das Deutsche Reich ging, – wie musste er sie zu sich heran schleppen! Sie liefen ihm dann nach, nur weil er's kommandirte. Nun, war's da zu verwundern, daß er keinen Respekt bekam vor den Leuten, die auf Kommando ins Licht blickten, daß er auf die nicht hörte, die ihn nicht verstanden, und wie er alt und grämlich ward, auf Niemand mehr.«
    Walter wies auf die Glasthür in der Mitte: »Dort saß der König dieses Landes mit dem hergelaufenen Witz aus allen Ländern, und beim schäumenden Glase sprühte von ihren Lippen der Spott über die, welche im Könige ihren natürlichen Anwalt haben sollten.«
    »Haben Sie, mein junger Herr, den König da im Saale sitzen gesehen?«
    »Nein,« entgegnete mit etwas verlegener Stimme Walter. »Ich war zu jung, und als ich ihn einmal sah –«
    »Ich habe ihn gesehen,« fiel der alte Offizier ein und schwieg einen Augenblick; dann fixirte er den Andern. »Sie sind kein Junker, wahrscheinlich ein Gelehrter?«
    »Wenn die Menschen durchaus in Stände getheilt werden müssen, würde man mich dazu rechnen.«
    »Verlangen Sie, daß ein Friedrich sich seine Tischgesellschaft aus Denen holen sollte, die zum Wollmarkt kommen? Lieber Gott, mich dünkt, er hatte genug gethan, wenn er ihnen alle Stellen ließ in der Armee, und im Civil ja auch. Nun, an seinem Tisch lassen Sie ihm doch seine Franzosen, Engländer und Italiener. Die witzigen Seifenblasen beim Champagnerglase wurden ja schon runter gespült bei der Tasse schwarzen Kaffee.«
    »Aber nachdem er den Kaffee getrunken! Er hatte ja sein Volk gebildet! Sie sagten eben, er hatte sie heran geschleppt. Seine Junker lasen ja schon die Pucelle, ihm zum Vergnügen, und wussten kaum, daß eine Jeanne d'Arc gelebt. Homer und Leibnitz waren ihnen unbekannte Größen, aber sie lachten aus Herzenslust über den Candide!«
    »Nachgethan hat es ihm Mancher. Aber wie! Daß Gott erbarm! Sollte er Die als seinesgleichen in die Arme schließen! Als er aus dem Nichts heraus arbeitete, bei seinem Schöpfungswerke, wer hat ihm da von allen seinen Landeskindern geholfen!«
    »Und was davon ist denn noch!« sagte Walter und senkte den Kopf.
    »Es muß doch schon noch etwas sein,« entgegnete mit sarkastischem Tone der alte Militär. »Denn um der Hunde willen, die unter uns liegen, sind Sie doch nicht hier? Auch kommen darum nicht die vielen Tausende Fremder, die des Jahres die Terrasse besehen wollen. Drinnen, da hinter den Glasfenstern, ist's leer, der Staub wirbelt im Sonnenschein und die Motten nisten in den Polstern.

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