Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
in den Kuhstall zu begeben geruhen, um einen Trunk frisch gemolkener Milch anzunehmen. Und die Bäuerin, die eben melkt, wird sehr überrascht sein von den vornehmen Gästen, aber Seine Majestät der Kaiser werden noch weit mehr erstaunt sein, wenn sie der Bäuerin ins Gesicht sehen, die ihm die Schale reicht. Na, was sagen Sie dazu, mein lieber Herr Pathe? – Ich habe aber nichts gesagt, es sind ja nur Konjekturen,« sagte Herr Nähtebusch und rieb sich die Hände.
Sie standen am anderen Ende der Terrasse: »Also auf eine Trianon-Scene läuft es aus; das ist ja alles recht schön und gut,« sagte Walter. Herr Nähtebusch sah den jungen Mann mit einem eindringlichen Blick an. Fast war's ein durchdringender, indem er seine Hand fasste, und wir hatten uns in ihm geirrt. Die Purpurröthe des Echauffements verbarg nur den Psychologen. »Mein lieber Herr van Asten, als Ihr Herr Vater mir die Ehre erzeigte, mich bei Ihnen zum Pathen einzuladen, sagte ich's voraus, das ist ein Junge, der wird's zu was bringen. Ich hatte vorgestern wieder das Vergnügen, mit Ihrem Herrn Vater zu sprechen. Da müssten Ihnen die Ohren geklungen haben.«
»Mein Vater, wissen Sie –«
»S' ist ein kluger Mann. Die Jugend muß ihre tollen Hörner ablaufen, hat er gesagt. Ich Dummkopf glaubte, daß man seinen Sohn zum Studiren auf die Universität schickt, hielt meinen deshalb kurz. Und der Junge war nur zu gehorsam, er ›büffelte,‹ gab zu wenig aus, und nahm zu viel ein, nämlich fixe Ideen, sagte der Herr Vater. Nun haben wir die Bescherung. Das tolle Feuer, was 'raus schwären sollte, steckt noch drin, und 's bricht an der unrechten Stelle los. Dem Jungen mache ich keine Vorwürfe, mir mache ich sie.«
»Und der Herr Pathe legten gewiß ein freundlich Wort ein. Will man mich vielleicht noch ein Mal auf die Universität schicken, um das Versäumte nachzuholen?«
»Erlauben Sie mir, ich sagte ihm: das Leben ist ja auch eine Universität. Er kann ja auch hier seine Hörner abstoßen; je toller er drauf los geht, um so eher wird er stumpf. Wie ist er da beim Minister angelaufen. Wird auch noch öfters anlaufen! Sind nicht alle Minister so human, daß sie die Rappelköpfe nach Karlsbad schicken. 's ist Mancher eingesperrt worden, der sich die Zunge verbrannt hat. Schadet auch nichts. Der Sohn vom Geheimrath Bovillard, wie oft hat er gesessen! Man kann's gar nicht zählen. Der Vater war so klug, hat sich nicht um ihn gekümmert; nun ist er von selbst zu Kreuz gekrochen. Ist kirr geworden, um den Finger zu wickeln; lässt sich vom Vater parforce schicken, wohin es ist, und wenn er sich müde geritten hat, dann giebt ihm der Vater 'ne kleine Stelle, sucht ihm 'ne Frau aus, die ein bischen Geld hat. Zuerst in 'ner kleinen Stadt, wo er über den Akten schwitzen muß; ist froh, wenn er nach Hause kommt, 'ne Pfeife raucht bei 'nem Glase Bier, ein Partiechen; Kinder kommen dann auch, die schreien, ein Vater hat doch auch ein Herz. Ach Gott! darüber vergisst er alle krause Ideen; ist froh, wenn's nur bei ihm zu Hause gut geht, und denkt nicht mehr daran, den Staat besser machen zu wollen. Und geben wir Acht, mit dem Walter wird's auch so kommen.«
»Verdanke ich das alles Ihnen, Herr Pathe?« rief Walter mit wachsendem Erstaunen.
»Wir saßen so traulich bei Herrn Kämper zusammen, wir sechs oder sieben, alles respektable Bürger.«
»Was! ein Kollegium, um über meine Besserung zu berathen!«
»Wo hat nicht Jeder 'nen faulen Fleck im eignen Hause! Wenn man so beim Bier sitzt, ein Pfeifchen im Munde, spricht man sich gegenseitig Trost zu. Der hat 'nen Sohn, der spielt. Das ist beinahe am allerschlimmsten. Da waren wir Alle einig. Das thut mein Pathe nicht; alles, was Recht ist. Er trinkt auch nicht, er läuft auch nicht den Mädchen nach. Na, Jugend hat keine Tugend, darüber sind wir weggegangen. Aber das Theater, was hat das ehrbaren Familien Kummer und Noth gebracht. Erst alle Abend der Herr Sohn ins Parterre. Das kostet Geld, die jungen Leute machen Schulden. Ist aber viel schlimmer, wenn's kein Geld mehr kostet, wenn sie's umsonst haben; dann haben sie Konnexionen hinter den Coulissen, das sind die schlimmsten und theuersten Konnexionen. Und die Truppe ist einmal abgereist, und der Herr Sohn ist verschwunden. Ja, ja, das ist manchen Eltern so gegangen. Den Kummer haben Sie Ihrem Herrn Vater nicht gemacht. Wissen Sie aber, Einige meinten, das wäre immer noch nicht so schlimm, als wenn ein Bürgersohn sich mit der Politik abgiebt. Da kann
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