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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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sie schien nur deshalb auf eine Wendung des Gesprächs nachzusinnen, welche diesen Ausbruch verhinderte; weil sie aber nur zu gut wusste, wie Gefühle der Art einem Raume mit brennbarem Aether gleichen, wo man kein Licht einbringen darf, damit nicht alles in Flammen stehe, so schwieg sie lieber ganz. Sie fühlte sich indeß auch nicht vollkommen sicher auf dem Terrain, denn sie war überrascht, nicht sowohl über die Macht der Leidenschaft, welche die für kalt gehaltene Frau aufregte, als über das Bewusstsein und die Seele, mit welcher sie das Gefühlte aussprach. Wo Diplomaten Bewusstsein und Seele merken, werden sie unsicher, und tappen umher, bis sie mit ihren Fühlfäden die Schwäche entdeckt haben, mittelst deren sie den Gegenstand, der sich ihnen entziehen will, wieder in ihr Netz ziehen.
    Die Fürstin hatte wenigstens eine unverfängliche Wendung gefunden, als sie, wie aus tiefem Nachsinnen aufseufzte, den Blick gen Himmel, rief: »Und der Krieg ist es, der meine Freundin so erschreckt! Was ist der Krieg anders, als ein Gewitter, das die schwüle Luft reinigt.«
    »Mit Menschenblut! Und darunter die Besten. Die Kugel wählt nicht die Schlechten.«
    »Wenn nun in der Natur ein solches verborgenes, furchtbares Gesetz bestünde, das Menschenblut fordert!« fuhr die Fürstin fort, die sichtlich in ein neues Gedankengewebe sich hinein spann oder zu einem Phantasieflug erhob, der über die Fassungskraft ihrer Gesellschafterin hinaus ging. Sie wollte, obgleich die Wahrnehmung sie interessirte, daß die Leidenschaft auch eine Eitelbach weit über sich erhoben hatte, sich selbst in eine Sphäre erheben, wo Jene ihr nicht folgen konnte.
    »Ja, es existirt dieses Gesetz! Und der Soldatenstand ist der geehrteste, weil er auf diesem großen Gesetz der geistigen Welt beruht. Warum heißt Gott in der Bibel der Herr der Heerscharen! Es ist das nicht ohne tiefen Grund. Wie herrscht in dem weiten Reiche der lebendigen Natur eine, wir können sagen, gesetzliche Wuth aller Wesen gegen einander! Es giebt keinen Moment in der Zeit, meine Freundin, wo nicht ein lebendes Wesen von einem anderen verzehrt wird. Der Mensch aber ist unter diesen zahllosen Arten von Würgethieren die allerfurchtbarste. Er tödtet um zu essen, nm sich zu kleiden, sich zu schmücken, ja aus Vergnügen, er tödtet um zu tödten. Der Mensch, dieser entsetzliche Herrscher der Natur, will alles an sich reißen, vom Lamme seine Eingeweide, um die Harfe widertönen zu lassen, vom Wallfisch seine Barten, um das Mieder des jungen Mädchens zu halten; seine Tafeln sind bedeckt mit Kadavern. Ja, dem Menschen ist in dem unerforschlichen Rathschluß des Ewigen das Amt gegeben, den Menschen zu erwürgen, und der Krieg ist's, der den Spruch erfüllt. Die Erde selbst schreit nach Blut. In Erfüllung des großen Gesetzes, das gewaltsame Zerstörung unter den lebenden Wesen fordert, ist die ganze Erde, fortwährend von Blut getränkt, nur ein ungeheurer Altar, auf dem Alles geopfert werden muß ohne Ende. Ja, meine Theure, zweifeln Sie daran, wenn Sie die Weltgeschichte durchblättern, wenn Sie die rothen Schlachtfelder überblicken, mit denen der gekrönte Korse die Länder füllt, daß der Würgeengel sie umkreist wie die Sonne, und eine Nation nur aufkommen lässt, um andere zu schlagen! Wenn die Verbrechen sich gehäuft über das Maß, dann verfolgt mit Hast der Engel, ohne Maß zu kennen, seinen unermüdlichen Flug. Die sicht- und greifbaren Anlässe erklären den Krieg nicht; Jeder kennt ja das Uebel; wenn sie wollten, könnten sie ihm ja leicht vorbeugen. Aber es ist der Durst dieser großen Sünder nach der Strafe, von der sie fühlen, daß sie sie verdienet, sie stürzen darnach, wie die Hirsche zum Quell, um dadurch gesühnt zu werden. Sehen Sie, Theuerste, wenn wir ihn so betrachten, müssen auch die Schrecken des Krieges geringer werden; ja wenn wir uns versenken in den berauschenden Gedanken, daß Er es ist, der von dem sündigen Menschengeschlecht im Augenblick seiner höchsten Noth gerufen, in seiner Donnerwolke eintritt, um die Ungerechtigkeit, welche die Kinder dieser Welt gegen ihn begingen, zu strafen und vernichten, dann wird der Krieg selbst in unsern Augen zu etwas Göttlichem und seine Schrecken schwinden vor dem geängsteten Gemüthe.«
    Wir wissen, daß dies nicht die eigenen Ansichten der Fürstin Gargazin waren, sondern daß sie dieseben in Petersburg aus dem Munde eines französischen Fanatikers vernommen hatte, der, damals noch wenig

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