Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
darum?« fiel die Fürstin ein.
»Ach der! – Er würde sich halb todt lachen, wenn er alles wüsste, Es hat ihm schon Spaß gemacht, daß er mich necken konnte.«
»Wenn aber aus dem Spaß doch Ernst würde? Wenn er in eifersüchtiger Laune – es könnte eine unangenehme Scene – eine Scheidungsklage –«
»Ach, da hat er schon eine Andere.«
»Die spanische Tänzerin soll ihm viel Geld kosten.«
»Das meinen Sie! Nein, ich meine die Braunbiegler.«
»Die reiche korpulente Wittwe, mit den Edelsteinen und Ketten um den Hals! Die muß ja eine Fünfzigerin sein!«
»Sie ist ja die Wittwe seines Compagnons – hunderttausend Thaler baar außer dem halben Geschäft! Wäre Herr Braunbiegler vor acht Jahren gestorben hätte er mich gar nicht geheirathet, das sagt er mir und Jedem tausend Mal. Er hätte das Geschäft in einer Hand und die Tuchlieferungen fürs Militär allein.«
Ein Lächeln schwebte über das Gesicht der Fürstin: »So denken denken die Männer, und von uns fordern sie Hingebung und Treue: – Was ich sagen wollte, es kommt Ihnen also jetzt alles darauf an, den guten Rittmeister von seinem Irrthum zu kuriren. Wie wäre es denn – es ist nur ein Einfall – Sie glauben nicht, daß er sich noch einmal auf den Weg macht?«
»Mein Gott, er muß ja ausmarschiren. Das ist's ja.«
»Richtig! Wie wäre es denn, wenn Sie sich auf den Weg machten? Ich meine, wenn Sie ihm entgegen kämen, natürlich in allen Ehren. Sie könnten ihn zu sich rufen lassen; das möchte aber falsch ausgelegt werden, und vielleicht käme er auch nicht. Sie müssten etwas recht Eklatantes thun, das eblouirt die Männer. Ich hoffe, Sie verstehen mich nicht falsch. Wenn Sie ihn in der Kaserne aufsuchten, ich meine nicht heimlich, sondern in Ihrer Equipage, den Bedienten hinter sich, die Welt würde das freilich nicht gut heißen –«
»Sie meinten also –?«
»Ich meine gar nichts, aber wenn Sie einen solchen Schritt sich durchaus nicht ausreden ließen, wenn Sie sich kühn über das Urtheil der Menge wegsetzten, welche die Impulse edler Seelen nie begreift, – ich stelle mir nur eben den magischen Eindruck vor, den dieser heroische Entschluß auf unsern Freund hervorbringen müsste. Bei dem allgemeinen patriotischen Aufschwung, der gerade von den Frauen getragen wird, sinken die gewöhnlichen Schranken. Die Schwester eilt zum Bruder, die Braut zum Bräutigam, man möchte den theuren Scheidenden die letzten Stunden durch verdoppelte Aufmerksamkeit versüßen, man windet ihnen Kränze zum Abschied, und in den Epheu und das Immergrün möchte man schon Lorbeern flechten. Finden Sie das unnatürlich?«
Wenn die Fürstin sich hätte Rechenschaft geben sollen, welches Motiv sie antrieb, würde sie gestockt haben. Herrschsüchtige strengen oft die halbe Kraft an, den Schein hervorzubringen, daß sie nicht beherrschen wollen; Geistvolle, wenn sie von Andern in ihren Gedankenkombinationen gestört werden, wehren sich die Störung durch lebhaftes Reden ab. Die äußerste Anstrengung, sich nicht zu verrathen, verräth freilich den Schuldigen nur zu oft, es bedarf dazu aber anderer Richter, als Zuhörer, die von ihren eigenen Gedanken absorbirt sind. Die Fürstin wollte von der Baronin loskommen, aber in jeder Wendung, welche sie dem Gespräch gab, verstrickte sie sich aufs Neue. Die Intrigue, zu der sie sich aus Gefälligkeit herbeigelassen, war ihr gleichgültig; selbst das Vergnügen, Eroberungen zu machen, erkaltet, je unbedeutender die Personen, die wir zu erobern ausgingen, im Verlauf der Arbeit uns erscheinen; und wenn sie aus Noth wieder ins Rad dieser Intrigue griff, geschah es nur aus Rücksicht für Freunde, die ein Diplomat abschütteln darf, sobald das Interesse es fordert, niemals aber aus Laune. Sie wollte wenigstens das Spiel derselben nicht verderben, darum ein Rathschlag, bei dem ihre Freunde Zeit gewannen, nach ihrem Gutdünken zu handeln.
Aber die Fürstin hatte heut Unglück. Der Funke, den sie geschlagen, hatte in der Baronin gezündet. Sie strich über die Stirn und machte Miene aufzustehen: »Ja Sie haben wieder recht. So muß es sein, ich bin's ihm schuldig. Wenn nur nicht wieder etwas dazwischen kommt!«
Ach wenn doch etwas dazwischen käme! dachte die Fürstin, und der Himmel erbarmte sich ihrer. Ein heftiger Krach, ein prasselndes Knallen, und der Wagen senkte sich. Im nächsten Augenblick waren die Damen unsanft auf die Seite geschleudert und lagen in der umgestürzten Kutsche, deren Fenster klirrend
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