Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
mit Wohlgefallen ruhte, wird glückselig gepriesen. – Aber wie kannten Sie ihn, und auch mein hoher Herr –«
»I wissen Sie denn nicht! Wie sich's in der Königsstraße stopfte, und sie halten mussten, gerade vor unserem Hause? Und die ganze Zeit sah er nach meinem Fenster – fünf Minuten oder drei wenigstens kein Auge fort. Es hat uns Allen rechten Spaß gemacht.«
»Spaß!« Die Fürstin erschrak, es kam aber noch ein anderes Gefühl hinzu, wie konnte ihr das verborgen geblieben sein! Niemand hatte es ihr hinterbracht. War sie so schlecht bedient? Die Eitelbach konnte sich täuschen, aber hatte sie nicht selbst Alexanders Blicke beobachtet? Sie kannte diesen Blick.
»Ich begreife Sie nicht, so ruhig sprechen Sie das aus. In Rußland, nein in ganz Europa bliebe keine Frau gleichgültig, die der ritterlichste und liebenswürdigste Monarch so ausgezeichnet hat.«
»Ach, Sie meinen mich? Nein ich war's ja nicht.«
»Wer denn?«
»Die Mamsell Alltag, die stand im Fenster neben mir.«
»Adelheid Alltag!« rief die Fürstin und blieb sinnend stehen, so im Sinnen, daß sie den herangaloppirenden Reiter nicht bemerkte, der sich zum zweiten Mal vom Pferde warf und an die Damen trat. Es war der Adjutant des Kaisers.
»Seine Majestät haben mich zurückgeschickt, meine Damen, mit strengsten Befehl, Ihnen meine Gegenwart aufzudringen und nicht eher zu weichen, als bis ich ihm rapportiren kann, daß der Wagen und Alles, was Sie wünschen, zur Zufriedenheit der erlauchten Frauen hergestellt ist.«
Die Fürstin musste nach dem eigenthümlichen und forschenden Blick, den sie ihm zuwarf zu schließen, in alter und sehr genauer Bekanntschaft mit dem Adjutanten stehen.
»Berichten Sie, Prinz, Seiner Kaiserlichen Majestät, wie Sie uns sprachlos vor Rührung über diese außerordentliche Gnade gefunden haben. Um uns aber in unsern stummen Dankgefühlen nicht zu stören, bitten wir Sie, uns auf der Stelle auch noch zu vertrauen, warum Sie außerdem hergeschickt sind.«
Der Adjutant, wie im Einverständniß mit der Art der Frage, verneigte sich vor der Baronin: »Außerdem wünschten Seine Majestät zu erfahren, wer das junge Mädchen war, die am Einzugstage neben der schönen Frau am Fenster stand.«
»Wirklich!« rief die Fürstin; man glaubte unter dem Zobelpelz ihr Herz gegen die Brust schlagen zu hören, die matt gewordenen Züge ihres feinen Gesichts belebten sich und ihr schwarzes Auge strahlte von einem Glanz, der das graue Morgenlicht beschämte: »Berichten Sie Seiner Majestät, daß was wir wünschen, wenigstens was ich wünsche, zu meiner Zufriedenheit hergestellt sein wird. Vielleicht sage ich Ihnen dann unterwegs – Sie chaperonniren doch unsern Wagen? wer das junge Mädchen ist, vielleicht auch nicht. Je nachdem Sie sich aufführen.«
Siebenundvierzigstes Kapitel.
Von Magistratspersonen und ungerathenen Kindern.
Die Geheimräthin Lupinus war am Rathhaus vorgefahren und hatte in die Hände des Magistrats eine Gabe von dreihundert Thalern als milden Beitrag zu den Kriegskosten des Staates niedergelegt. Der Magistrat hatte es für nöthig erachtet, durch eine confidentielle Deputation der Geheimräthin für diesen Beweis einer außerordentlichen patriotischen Gesinnung seinen besonderen Dank abzustatten. Sie hatte die Herren Büsching, Köls und Gerresheim mit Beschämung, wie sie sagte, empfangen, und ihre Verwunderung nicht zurückhalten können über einen so Aufsehen erregenden Schritt, und um eine Handlung, welche nach ihrer Meinung die Pflicht von Jedem fordere.
»Aber Sie waren die Erste in Berlin, die das Beispiel gab,« hatte Büsching erwidert, »und vor diesem Beispiel verneigen wir uns.«
»So wünsche ich, meine hochgeehrten Herren, daß das Beispiel von den Nachfolgern verdunkelt und meine obskure Person und die Kleinigkeit, die ich mitbrachte, bald vergessen werde über die großen Opfer, die andere Reichere auf dem Altar des Vaterlandes niederlegen.«
»Eigentlich hat sie Recht,« sagte Gerresheim, als die Herren wieder in den Wagen stiegen. »Das schickt sich nicht für eine Korporation wie der Magistrat von Berlin.«
»Was schickt sich denn, und was schickt sich nicht,« sagte Köls, »wenn das Vaterland in Gefahr ist? Wir mussten aus den Provinzen täglich in den Zeitungen lesen, daß der und der Edelmann seine Rekruten ausstattet, und werthvolle Lieferungen verspricht, während in der Hauptstadt nicht das Geringste geschehen ist. Da war es Pflicht, den ersten Besten, der mit
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