Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
mir zu, ihm eine gute, treue Frau zu sein.«
»Daran zweifle ich nicht. Aber Du wirft es ihn doch fühlen lassen, welche Opfer Du ihm gebracht. Du wirft ihm nicht täglich sagen: das und das hätte ich sein können, wenn ich Dich nicht geheirathet, Ihr werdet Euch nicht immer zanken, noch wird er Dich Abends und Morgens mit verweinten Augen sehen; aber Du kannst Dich nicht enthalten, es ihn empfinden zu lassen, was Du empfindest. Augenblicke werden kommen, wo Du Reue fühlst. Je länger Du Dich anstrengst es zu verbergen, je stärker bricht es einmal unwillkürlich heraus. Er ist ein guter Mensch, aber wenn er empfindlich wird, was ich ihm nicht verdenke, bricht es wohl los, nicht ästhetisch, sondern recht irdisch materiell. Hast Du dann Thränen, so ist das noch das beste. Hast Du keine, so schraubst Du Dich zurück in Deine Resignation, Du verschließest Dich in die Burg Deines Selbstgefühls. Bist Du erst da isolirt mein Kind, so begnügst Du Dich bald nicht mehr mit der Vertheidigung, sondern Du machst Ausfälle. Keine Festung hält sich auf die Dauer, wenn der Kommandant nicht die Gelegenheit benutzt, die sich ihm zur Offensive bietet, und dann – dann ist der Kriegszustand gegen Alle erklärt. – Du stehst wie ich. Täusche Dich doch nicht, als ob Du jetzt nicht schon darin lebtest! Auf Walter bist Du ungehalten, daß er nicht ernstere Anstalten trifft; da fliegt manches spitze Wort, das durch den süßen Händedruck nicht verwischt wird. Ich hörte schon geschraubte Redensarten zwischen der Mutter und Dir; ihr vergöttert Kind will nicht mehr das flügge Vöglein im Neste sein; sie begreift Dich nicht, aber Du begreifst sie nur zu sehr. Und führst Du nicht etwa gegen mich einen täglichen Krieg? Irgendwie musst Du es mir doch vergelten, daß Dir mein Anblick zuwider ist. Da begnügst Du Dich, ein harmloses Mädchen, meine häuslichen Anordnungen zu contrekariren, Du soulagirst meinen Gatten in seinen Wünschen, die ich für seinen Gesundheitszustand nicht angemessen finde, Du vertuschest die Unarten der Kinder hier, und bist ihnen wohl selbst behülflich bei Näschereien, wenn sie auch den Kindern schädlich sind. Wenn ich mit dem Gesinde zanke, wirkst Du begütigend hinter meinem Rücken, und umgehst auf unmerkliche Weise, was ich bestimmte. O es ist ein angenehmes Gefühl, von Kindern und Dienstboten als ihr Schutzengel betrachtet zu werden, und während man ihre Liebe einkassirt, ihren Haß gegen Andere zu lenken, die nicht so gütig sind, und es nicht sein dürfen, weil sie ihre Pflicht dadurch verletzen. Und wie klug es von Dir ist, es so heimlich zu thun, daß ich keinen Verdruß davon habe! Die chinesische Vase dort ist mir ein theures Andenken aus meinem elterlichen Hause. Wie geschickt hast Du sie auf die Kante des Schrankes gestellt, damit ich nicht täglich den Verdruß habe zu sehen, wie die unartigen Kinder sie zerbrochen haben.«
»Geheimräthin!« rief Adelheid erblassend, »das ist zu viel!«
»Ich mache Dir keinen Vorwurf; im Gegentheil ich lobe Dich, daß Du zur Besinnung kommst. Kann ich fordern, daß mich Jemand lieben soll, und gar um der Kleinigkeit willen, wo auch ich mir gestehe, daß ich es nicht aus Liebe zu Dir gethan, sondern wirklich, weil es mich amüsirte, mein Hans durch so ein schönes Mädchen lebendig zu machen. Vieles, was ich aus Liebe gethan, ward mir schlechter vergolten. Unsere Naturen haben nun einmal keine Sympathie. Du bist mir gleichgültig, ich bin Dir vielleicht widerwärtig. Kannst Du oder ich dafür? Wie ich die angeheuchelten Gefühle der Dankbarkeit betrachte, hast Du eben gehört. Du hast nun schon gelernt, Dich geistig von mir frei zu machen. Das ist ein Fortschritt. Du moquirst Dich über mich, komplottirst im Kleinen gegen mich. So wird Dir mein Haus eine gute Schule werden fürs Leben. Fahre fort, so nur lernst Du, wie man mit den Menschen umgehen muß, um – was die Andern nennen, frei zu werden. Ich bin die ältere, und sah es zu spät ein. Uebe Dich an mir, Du hast ein langes Leben vor Dir.«
Adelheid stand sprachlos da, als die Geheimräthin langsam nach der Thür sich entfernte. Sie wandte sich noch einmal um: »Noch eins, was ich von Dir fordern kann. Wir sind nun einmal an einander gekettet. Wir müssen es tragen bis der Zufall die Kette zerreißt. Hüte Dich vor jedem Impuls. Wenn Du etwa auf die Straße stürztest – echauffirt, halbnackt, wie damals – Du verstehst mich – würde es an mitleidigen Seelen nicht fehlen, die Dich wieder
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