Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
russischen Heere, unter Kutusow und Buxhövden werden Mühe haben sich um Olmütz zu vereinigen. Die Nachricht kam eben auf der Börse an.«
»Wien genommen!« rief Walter. »Und Haugwitz!«
»Hat sich von Bonaparte hinschicken lassen, weil in Wien ein Gesandter am besten aufgehoben ist. Der Kaiser hat sehr viel Rücksichten mit ihm gehabt, fand es unschicklich, daß ein preußischer Minister und Diplomat sich im Heerestroß mitschleppen lasse.«
»Und Haugwitz ließ sich fortschicken?«
»Was wird er nicht! Er liebt die Kommodität. Sehr langsam reist er schon, damit ihm kein Unglück widerfahre. Und hat gewiß recht gehabt; ein Unglück, was unserm Premierminister zustieße, wäre ja eines für den ganzen Staat!«
»Und er traf ihn –«
»In Brünn gerade bei den Vorbereitungen zu einer neuen Schlacht. Da hatte Napoleon natürlich keine Zeit sich mit ihm zu unterhalten und sagte zu ihm: ›Lieber, jetzt habe ich keine Zeit, gehen Sie nach Wien, und warten bis ich Zeit habe, dann wollen wir sprechen.‹«
»Und Haugwitz schüttelte nicht die Toga! Er ließ nicht die zwei Mal hundert tausend Bajonette zwischen seinen Drohworten klirren.«
»Drohworte! Er ist ja ein feiner, gebildeter Mann!«
»Aber sein Auftrag –«
»Kennst Du den? Ich kenne ihn nicht. Es werden hier nicht Zehn, nicht Drei sein, die ihn kennen. So viel man uns schreibt, sprach er als ein tief gekränkter Freund, daß Napoleon die guten wohlmeinenden Rathschläge, die ihm Preußen gegeben, so außer Acht gelassen. O ich zweifle gar nicht, er wird sehr sanft und elegant gesprochen haben – schade, sehr schade, daß Napoleon nicht gerade den Ossian las, sondern sich die Reiterstiefel anzog.« Walter war auf einen Stuhl gesunken und barg sein Gesicht im Arme. Als der Vater den Seufzer hörte, den er unterdrücken wollte, stand er leise auf und berührte sanft die Schulter des Sohnes: »Mein lieber Walter, Dein Vater hat doch wohl recht gehabt. Wenn wir uns sonst nicht vertrugen, weil Deine Gedanken wo anders hingen als meine, so mag ich unrecht gehabt haben. Gedanken sind zollfrei, und ich dachte als Kaufmann nur an die Waare. So lange man im Schmetterlingskleide über die bunten Wiesen flattert, da lasse man doch die Kinder spielen. Ich bitte Dich um Verzeihung, daß ich damals meinte, ich könnte Dich mit einem Bindfaden leiten, den ich an Deine Flügel band. Aber wenn der Schmetterling sich verpuppt hat, und aus den Gedanken Pläne werden, wenn sie Ideen marktgerecht zurichten und an den Markt bringen wollen, ist's was anderes. Nun, sehe Jeder, wie er's treibe. Du bist jetzt ein Mann, ein Kaufmann für Dich; wenn Du spekulirst, musst Du so gut wie Dem Vater auf ein Fallissement gefasst sein. Dein Vater würde sich zu schicken wissen in das, was nicht zu ändern ist, und Du auch: Du bist mein Sohn. – Aber wenn man für den Staat spekuliren will, ist das erste, daß man sich die Menschen ansieht, die, für die man spekulirt – die Leute, ob sie danach sind? Die Gedanken, o die sind wunderschön. Aber was sind Ideen, ohne Menschen, die sie tragen! Das große Vaterland, o das ist das Erhabenste was es giebt, wer wollte nicht dafür Gut und Blut opfern! Wenn nun aber das Vaterland blos Erde und Stein wäre und die Menschen ausgestorben? Würdest Du auch Dein Blut dran setzen? Oder die Menschen drin wären alle blind, oder taub, oder Cretins. Ja, ich weiß doch nicht, ob es recht wäre, sich selbst darum hinzugeben, für eine große Blindenanstalt, für ein Taubstummeninstitut, oder gar für ein Haus voll lauter Blödsinnigen. Mein lieber Walter, Dein Vater hat sich nun durch ein Menschenalter die Menschen angesehen wie sie sind, und darum hat er jetzt auf den Frieden spekulirt, und ich glaube, er hat recht spekulirt.«
»Diese!« rief Walter aufstehend. »Ja, die Sie meinen, aber es giebt andere.«
»Wer zweifelt daran! Es giebt überall gute, rechtschaffene, kluge, sogar ausgezeichnete Menschen, es kommt nur eben darauf an, ob die Klugen die Dummen und die Guten die Schlechten üherwiegen, oder umgekehrt. Mein Sohn, ich will Dir zugeben, daß Euer recht Viele sind, die fühlen und sagen: so geht es nicht mehr! Da's aber noch immer so geht, so müssen diese Vielen doch immer noch die Schwächeren sein, sie dringen nicht durch, die Andern bleiben am Ruder, und wer am Runder sitzt, steuert wohin er will, meinethalben ins Verderben; auf den blicken Alle, der entscheidet, auf den kommt es an, in welchen Hafen das Schiff treibt. Ist Haugwitz
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