Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
abgesetzt, Beyme fortgejagt, Lombard eingesperrt? Deine Besseren und Edleren schreien freilich, es müsse so kommen. Noch aber ist es nicht gekommen. Umgekehrt. Die Prinzen, die Königin, so viele berühmte Generale, der halbe Hof, die Prinzessinnen an ihrer Spitze, kabaliren und verschwören sich beinahe an den Straßenecken gegen sie, und Lombard trinkt seine Chocolade und sein Weißbier so vergnügt wie vorher, Beyme macht Alles, und was er redet ist des Königs Rede, und Haugwitz ist zu Napoleon geschickt, um – die Rechnung zu arrangiren.«
»Sie gehen vor keinem Bilde Friedrichs vorüber, ohne den Hut abzunehmen, und Vater, so gering schätzt ein Verehrer des großen Königs dessen Volk?«
»Weißt Du noch unsere Tapeten aus Arras? Vor denen habe ich auch großen Respekt. Die da in unserem Esszimmer stellen den trojanischen Krieg vor. Was hat der Aeneas für schöne karmoisinrothe Kniehosen an! Das Prachtstück ist auch viele Generationen in unserer Familie, König Franz I. hat es einmal in einem seiner Schlösser an der Wand gehabt. Darum kriegtet Ihr Kinder auch immer Klapse auf die Finger, wenn Ihr dran polktet. Sind mir auch jetzt nicht feil. Nimm sie aber mal ab und halt sie gegen die Sonne! Wie ein Sieb von Motten! Und bringe sie auf die Messe. Wenn's kein Raritätensammler ist, so frage, was sie Dir bieten. Abgestandene Ware findet auf dem Markt keine Käufer.«
Walter schwieg einige Augenblicke; dann rief er: »Und scheine es heut nur Rost für Raritätensammler, ein Geist wie Friedrichs kann nicht wie ein Meteor durch die Weltgeschichte geleuchtet haben, er kann nicht versunken sein ins Meer der Ewigkeit, ohne daß seine Strahlen gezündet und gezeugt haben. Andere Geschlechter müssen kommen, welche, wenn Rost und Schlacke abgeworfen, seinen Geist in seinem Volke widerspiegeln.«
»Das verstehe ich nun nicht,« sagte van Asten, der wieder Platz genommen hatte. »Mit der Ewigkeit hat ein Kaufmann nichts zu schaffen. Was er heut einkauft, will er morgen absetzen. Walter, ich Dich da recht vor, daß Du nicht zu kurz kommst. Das, wie, gesagt, ist nun Deine Sache, aber warum kam ich doch gleich? Ja so – wirft Du heut Abend in die Komödie gehen?«
Walter suchte umsonst in dem wieder schlauen Blick des Vaters nach dem Sinn der Frage: »Ich verstehe Sie nicht.«
»Nun ich meine, ob Du auch einen Schwärmer abbrennen wirst? Man spricht von einem wunderschönen Kriegsliede, das sie singen wollen.«
»Ich billige diese Theaterscenen nicht, wo es eine große, ernste und heilige Sache gilt.«
»So! Na das ist mir auch recht lieb, daß Du Dich nicht unter die Offiziere mengst. Die haben es bestellt. Ich glaubte nur von wegen des Liedes, weil Du auch Verse machst. Ins Theater wirft Du aber doch gehen, ich meine ganz simpel?«
»Ich war noch nicht entschlossen.«
»Dann ihn mir's zu Gefallen. Aber nicht ins Parterre. Da wird man zu sehr gedrängt. Ich habe Dir schon im zweiten Range Logenbillets genommen.«
»Mir?«
»Dir und der Cousine Schlarbaum. Die muß doch den Spektakel mit ansehen, und hat Keinen, der sie führt. Ich, weißt Du, geh' nie ins Theater, da habe ich Dich ihr vorgeschlagen.«
»Also darum –« eine flüchtige Röthe belebte Walters Gesicht und ein schmerzlicher Zug ging um seinen Mund. »In dieser Angelegenheit, dachte ich, wären wir im Reinen.«
»Du meinst doch nicht, daß ich meine Puppe einem Taugenichts aufdringen will, der sie nicht mag. Dazu ist mir das Mädchen viel zu lieb, und ihr ganzes Vermögen steckt in meiner Handlung. Wenn sie nun rabbiat würde, wie gewisse Leute, die man gegen ihren Willen verheirathen wollte. Ich kenne Einen, der lief drum aus dem Hause. Wenn sie nun auch aus dem Hause liefe, nämlich mit ihrem Kapital, verstehst Du mich, sie kündigte es mir, weil sie sich nicht verkuppeln lassen will.«
Walter lächelte: »Meine Cousine Minchen ist ein viel zu sanftes Mädchen, und liebt ihren Oheim zu innig, um ihr Vermögen ihm zu kündigen.«
»Alle Sanftmuth hat ihre Grenzen, wenn's aus Mein und Dein geht. Und – wenn das Vormundschaftsgericht – Du fürchtest Dich doch nicht, daß Mamsell Alltag eifersüchtig wird, weil Du Deine Cousine führst?
Au contraire,
Du schlägst da zwei Fliegen mit einer Klappe. Hat sie Dir schon erlaubt, sie ins Theater, auf die Promenade zu führen? Sieht sie, daß Du ihr zum Trotz ein anderes hübsches Mädchen führst, so wird sie vielleicht zuerst maulen, aber dann sich besinnen und nicht mehr, was man so nennt,
Weitere Kostenlose Bücher