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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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Rest da, sage ich Ihnen, der volle Stock von Ehre und Ehrlichkeit liegt noch in unsrer Brust. Wer ist die Nation, wo sitzt sie, fragen Sie? Wer hat sie denn schon aufgesucht in ihrem Heiligthum? Wer hat denn schon dies Volk gefragt, wer hat es denn gerufen? Der große Kurfürst einmal, und da kam es, Friedrich rief es sieben Mal, und sieben Mal stand es da mit Gut und Blut. Diese – haben es nicht gerufen, weil sie es nicht wagen, sie zittern vor dem Geist, den sie aufrufen könnten, vor dem ihre Erbärmlichkeit in Staub und Spreu versänke. Aber rufen sie es einmal, bei dem rechten Namen, auf den es hört, mit dem rechten vollen Ton, der in Mark und Nieren schmettert, und es kommt. Dann, mein Herr, gebe ich Ihnen mein Wort, wird es nicht vor Denen scheuen, die seine Fleischtöpfe verrücken wollen; es wird glauben, ja, nicht an die schönen duftenden Reden der Herren am Ruder, an seine Bestimmung wird es glauben, an die Stimme der großen Fürsten aus der Gruft, und selbst wird es seine Fleischtöpfe ausschütten für Alle, die für das Vaterland streiten wollen!«
    Eisenhauch machte eine Bewegung, als wolle er die Hand des Veteranen ergreifen. Aber dieser blieb in seiner festen Stellung: die Hand umklammerte den Stock.
    »Wir sind ein ander Geschlecht,« fuhr er ruhiger fort, »als Sie draußen; ja es ist so, das Warum kümmert Sie und mich heut nicht. Wenn wir krank wurden, können wir uns nur selbst heilen; Ihre Aerzte thun es nicht, sie verstehen unsre Natur nicht. Aber etwas, mein Herr, sollten Sie kennen. Die Blätter der Geschichte lehren es. Wenn wir am tiefsten erniedrigt schienen, die Welt uns verloren gab, dann grade schnellten wir in Jugendkraft zur vorigen Größe.«
    »Wem gab die Natur ewige Jugend!«
    »Sie sagen, wir haben uns vom Boden gelöst, auf dem wir wuchsen, und flattern haltlos zwischen Himmel und Erde, weil wir nicht Muth haben, vorwärts ins Blaue uns zu stürzen. Ich geb's Ihnen zu. Aber wir haben Vertrauen; noch haben wir's, Herr Major. Der Fürst vertraute dem Volke, das Volk dem Fürsten. So lange das Band hält, ist Preußen nicht verloren. Wie oft traten Retter auf, als die Noth am größten, die Klügsten keine Aussicht sahen, die Muthigsten verzweifelten. Man sagt, daß der große König Gift in seinem Ringe trug. Gebraucht hat er es nicht. Nicht bei Kollin, nicht in der Nacht von Hochkirch, nicht als er mit seinem Häuflein, wie der Mannsfelder, durch seine Staaten irrte. In sich selbst und aus der Verwüstung heraus fand er sich wieder. Und in welcher anderen Wüste rettete, schuf der große Kurfürst seinen Staat! Wo überall, wie von Gott geschickt, unerwartet, der David auftrat, der den Goliath niederwarf, wo diese Rettungen aus Zerwürfniß und Elend recht eigentlich die Quintessenz unserer Geschichte sind, warum da glauben, daß sie jetzt zu Ende sind? Warum nicht festhalten an dem, daß zur rechten Zeit der rechte Mann sich wieder einfindet? Wir sind jetzt erniedrigt, ja, dupirt vor aller Welt, vor uns selbst am meisten, ein Sumpf von Fäulniß, überdeckt mit einem Flimmer von Eitelkeit und Hochmuth – aber es gab noch verwüstetere Geschlechter vor uns und Gott gebe, daß nicht noch verwüstetere nach uns kommen.«
    Eisenhauch sah, einen Schritt zurücktretend, dem alten Mann feierlich ins Gesicht: »Sie fordern von mir Genugthuung?«
    »Und mitleidig blicken Sie auf meinen schwachen Arm. Wenn er den Degen nicht mehr führen kann, ist er doch stark genug, um die Pistole zu heben, und stark genug ist der Greis, mein Herr, der Mündung Ihres Feuerrohrs ins Auge zu sehen.«
    Eisenhauch hatte ein Pistolenpaar in der Hand, aber er warf sie in den Kasten: »Ich nehme Ihre Forderung an, aber – für später . Jetzt haben andre Missionen das Vorrecht. Mein Herr, ein großes Schlachtfeld breitet sich vor uns aus. Ob morgen, ob nach Monaten, ob nach Jahren die Hunderttausende, zum Morden bereit, sich gegenüber stehen, darauf kommt es nicht an. Aber es muß kommen. Geblutet muß werden, gebrannt, vertilgt, und der Sturm muß fegen durch die verpesteten Winkel. Fragen Sie sich, die Hand auf der Brust, ob's die Winkel allein sind, ob das Miasma nicht auf den Heerstraßen weht, in den Schlössern und Städten, ob's nicht in den Schreibestuben und Wachtstuben die Brust dem Redlichen zusammenschnürt. Draußen im Reiche ist es zusammengebrochen. Was da liegt, faul und morsch, jedem Kinde ist's klar. Hier ist noch ein gleißender Firniß darum. Aber reißt die Schale ab, Herr, Sie

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