Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
zittern selbst, Sie ahnen oder Sie wissen, was darunter, ich will nicht noch einmal Ihren Schmerz stacheln. Ich aber sehe vor mir, wenn auch dieses letzte stolze, thurmreiche Schloß zusammenstürzt, nur Verwesung, eine unermessliche Leichenwüste. – Herr Major, ein letztes Wort: wenn der Tod seine Fackel über uns Alle schwingt, wenn Deutschlands, Preußens, Oestreichs Name ausgelöscht ist, dann ist auch unser Streit begraben – ein Höherer mag richten, wer mehr gefehlt. Wenn aber Gott entschieden hat, daß es in Deutschland noch ein Volk giebt, nicht reif zum Helotenstamm, und Preußen ist dies einzige Volk – dann, mein Herr, stehe ich Ihrer Kugel.«
Fünfundfünfzigstes Kapitel.
Innerlich Lachen an einer Berliner Börse.
An der Berliner Börse war ein Plakat angeschlagen. Der Freiherr von Hardenberg hatte der Kaufmannschaft eröffnet, daß Preußens Lage von der Art sei, daß nun alle Besorgnisse für Handel und Verkehr gehoben wären, indem es Seiner Majestät dem Könige gelungen, »den Frieden auf genügende Art zu behaupten.« Jeder möge daher im vollen Vertrauen auf die Fürsicht einer Regierung, die kein ander Ziel habe als das Wohl ihrer Unterthanen, seinen Geschäften und Unternehmungen nachgehen. Außer dieser amtlichen Bekanntmachung mehrere Avertissements von Seiten des Börsenvorstandes: Der Graf von Haugwitz sei als außerordentlicher Preußischer Gesandter in Paris mit vieler Freundlichkeit empfangen worden. Ferner: Der König berufe den größten Theil seiner Truppen in ihre Kantonnirungen zurück und danke ihnen für ihre bewiesene Treue.
Man sah vergnügte Gesichter. Sie sprachen sich ins Ohr. Vielleicht hatten sie Rücksichten, daß sie nicht laut sprachen. Einige riefen auch Bekannte aus dem Publikum, die über den Lustgarten gingen, heran, und mit ihnen ward noch stiller, vertraulicher konversirt. Von diesen ging dann auch Mancher, nach einem herzlichen Händeschütteln, mit erheitertem Gesicht von dannen. Andere aber gingen, die Hände auf dem Rücken, den Kopf gesenkt, schweigend fort. Der und Jener schüttelte wohl den Kopf und wandte dem Andern hastig den Rücken, um sich aus dem Getümmel zu verlieren. Wie Viele froh waren und wie Viele betrübt, ist nie gezählt worden.
Einer saß auf einem der Steinpfeiler nach dem Lustgarten hinaus. Es war ein sonniger Tag, und in seinem Kalmuckrock mochte er wohl den Winter vergessen. Sein Gesicht sah aber nicht aus, als ob ein lauer Maienwind darüber streife, es glich den blätterlosen Zweigen der Platane, die weiß angelaufen vom Morgenreif sich über ihm leise wiegten.
»Na Sie, hören Sie mal, Sie können doch nur lachen,« sagte ein Herantretender. »Warum denn wie ein Eisbär, Herr van Asten?«
»Ich lache auch, Herr Baron, Sie sehen's nur nicht, ich lache innerlich.«
Des Barons beide Hände klimperten in den Seitentaschen mit Geld: »Ich glaube, Sie wären kaput gewesen mit allen Ihren Forderungen aus Militär.«
»Kaput werden heißt ja wohl den Kopf verlieren?«
»Halten Sie Ihren fest.«
»Mancher hält's für ein groß Unglück, Herr Baron.«
»Das will ich meinen!«
»Mancher aber meint man könnte auch ohne Kopf leben.«
»Sie Bonmotiseur, Sie! Warum lachen Sie denn aber nur innerlich? Meine Frau sagt, man kann äußerlich lachen, und weint innerlich. Das begreife ich. Ein ästhetisches Gemüth ist immer sentimental. Das bin ich nicht, Sie sind's auch nicht, van Asten. – Aber, wissen Sie, was mir entgangen ist?«
»Ihre Operntänzerin? Davongelaufen?«
»Nein, keine Plaisanterie! Haben Sie nichts davon gehört? Sie haben's im Kriegsministerium ausspintisirt, daß der Infanterist im Winter auch friert. Mäntel sollten sie kriegen – wenn's zum Krieg gekommen wäre, nämlich. – Na nu, was sagen Sie? Ich hatte schon ein Dutzend neue Stühle eingerichtet. Soll ich nun für die Kalmucken weben lassen?«
»Für die Franzosen, Herr Baron, die nehmen das Tuch auch ungeschoren.«
»Ohne Spaß, Herr van Asten; ich hätte 'nen guten Schnitt bei gemacht.«
»Liebster Baron, Sie sind ein excellenter Fabrikant und guter Kaufmann, aber erlauben Sie mir, Sie huldigen zu sehr den Phantasien. Ich meine, Sie sind zu leicht exaltirt von Ideen. Mäntel für die Infanterie! Ich bitte Sie, hatten Friedrichs Musketiere Mäntel? Man hat Ihnen was aufgebunden. Erfindungen eines neuerungssüchtigen Kopfes! Hohle Theorien! Und unsere Regierung! Liebster Baron!«
»Die Franzosen haben ja schon Mäntel!«
»Desto schlimmer! Wer
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