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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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Lehnstuhl verschanzt, den er mit der Linken fasste und bewegte, um sich gelegentlich darauf zu stützen, während er mit der Rechten sich auch gelegentlich bewegte. Der Wirkliche schien während dieses Auftritts um einen Kopf größer als der andere Geheimrath. Ob er es war, lass' ich ungesagt:
    »Mein Herr Geheimrath, ich hatte nicht erwartet, daß wir uns so begegnen sollten.«
    Lupinus war um einen Schritt zurückgeprallt. Den Hut noch fester an die Brust drückend, verneigte er sich noch tiefer: »Mein Herr Geheimrath, wer hat keine Feinde!«
    »Um das kurz abzuschneiden, von Ihren Feinden weiß ich nichts, aber ich weiß doch Alles. Ich bin nicht Ihr Richter, das wissen Sie. Wie Sie sich vor dem weiß brennen wollen, ist Ihre Sache, zu mir kommen Sie aus andern Gründen. Einem Advokaten muß man Alles sagen.«
    »Soll ich sagen, daß mich diese edle Gesinnung überrascht? Nein!
Iustice et humanité, voilà le patrimoine de la famille de Bovillard! Si mon ami Bovillard est mon advocat, je suis l'homme le plus heureux.
«
    »Herr, rasen Sie! Von Ihrer Kassation ist die Rede! Um des Himmels Willen, plagte Sie denn der Teufel! Lauern uns denn nicht genug auf den Dienst, wissen Sie nicht, wie man uns auf die Finger sieht, wie man die unschuldigsten Handlungen verdächtigt, und Sie müssen uns mit solchen Stänkereien kommen! Herr Geheimrath, Sie verdienten ja schon darum –«
    »Meine Intentionen waren die reinsten von der Welt –«
    »Zum Geier mit Ihren Intentionen. Wissen Sie, wie der König die Lippen biß, wie die Königin blaß ward, wie ein Jemand, den ich nicht nennen will, die Achseln zuckte und zu Ihrer Majestät flüsterte: das sind die Freunde des Herrn Lombard! wie Seine Majestät, die Hände auf dem Rücken, stumm durchs Zimmer gingen: das muß anders werden! – heißt das Ordnung! Das nennt man Humanität, daß man Gottes Ordnung umkehrt und die Verbrecher Saufgelage feiern lässt. – Es muß, es soll anders werden! schlossen Seine Majestät. Beyme hat ihn noch nie so gesehen. Die Kabinetsordre an den Justizminister war ihm noch nicht stark genug, er musste sie umschreiben. Was sagen Sie nun?«
    Lupinus wusste nichts zu sagen. Er kaute mit den trockenen Lippen und rieb mechanisch die Hände über den Hut, bis der Wirkliche ihm zu Hülfe kam: »Erleichtern Sie Ihr Herz und schenken mir reinen Wein, aber verstehen Sie, ganz reinen, und bis auf den Grund.«
    Ob der Wein ganz rein war, lassen wir auf sich beruhen. Es war so ziemlich derselbe, den wir in Lupinus' Gespräch mit seiner Schwägerin gekostet. Nur blieb der tolle Sohn des Geheimraths aus dem Spiele. Der Zuhörer, welcher besonders am Schluß aufmerksam den Kopf wiegte, schien einigermaßen befriedigt, denn er sagte, als der Andere zu Ende war: »Können Sie nun mit gutem Gewissen behaupten, daß Sie nichts hinzugethan, noch davon genommen haben: ich meine, daß, wenn Sie vor dem Richter stehen, Sie ebenfalls nichts mehr, noch weniger aussagen würden?«

    »Wir sind Menschen, Herr Geheimrath, wir sind alle Menschen, und unser Loos ist irren.«
    »Beamte sind aber eine besondere Klasse von Menschen, die nicht irren sollen; sonst jagt man sie fort.«
    »Seine Majestät der König kennt gewiß meine Loyalität.«
    »Der Hochselige kannte sie freilich durch Herrn Rietz. Ich möchte Ihnen nicht rathen, sich darauf zu berufen. Ueberhaupt scheinen mir Ihre Erinnerungen und Kenntnisse etwas antediluvianischer Art. Wenn man ein Beamter ist Ihres Ranges, die gebildete Gesellschaft besucht, ist erste Pflicht, daß man sich um die Verhältnisse und Ansichten kümmert. Vielleicht liegt das in Ihrer Familie –«
    »Herr Geheimrath meinen, meinen Bruder in der Jägerstraße. Ja, um die Dehors kümmert er sich allerdings wenig. Sollte er sich vielleicht bei irgend einer Gelegenheit einen Verstoß haben zu Schulden kommen lassen! Gott, er hat ein gewissermaßen kindliches Gemüth, er kann kein Wasser trüben. Aber Gelehrte – Gelehrte, mein theuerster Gönner, ach, der Vers ist wie auf ihn gemacht:
     
    Er weiß, wie man in Rom gegessen
    Und zu Athen sich gab den Kuß;
    Darüber hat er ganz vergessen,
    Wie man die Gabel halten muß.
     
    Wie oft habe ich freundschaftlich mit dem Trefflichen gesprochen, daß er sich doch etwas in die Verhältnisse schicken möchte.«
    »Hätten Sie sich die Predigt doch lieber selbst gehalten!« fiel der Wirkliche wieder verdrießlich ein. »Mein Herr Geheimrath, es ist ganz unbegreiflich, wie Sie die Veränderungen

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