Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
bemerkte. Die Sache war nicht durch einen Scherz zu beseitigen. Man sprach auch von einem Dritten, der seine Vermittlung schon angeboten. »Wenn man dem nur ganz trauen kann,« sagte Lupinus. Der Wirkliche lächelte leichthin: »Das zu prüfen ist meine Sache. Ihre: Anstand, Ernst, Moralität zu zeigen – und vorsichtig zu sein. Denn mir ist gar nichts darum zu thun, daß Sie mit blauem Auge davonkommen und durch eine Hinterthür schlüpfen, sondern Ihre Ehre soll ganz fleckenlos dastehen. Verstehen Sie mich, mein Herr Geheimrath? Es handelt sich um Ihre vollkommene Rechtfertigung, weil unser Interesse damit zusammenhängt. Verstehen Sie mich! Wissen Sie auch, daß der Justizminister schon einen Kandidaten für Ihren Posten
in petto
hat?«
»Womit habe ich das verdient!« Beinahe entfiel ihm der Hut, als er mit der Hand über die Stirn fuhr.
»Das machen Sie mit sich selbst aus. Dann kann ich Ihnen auch nicht verbergen, daß das Verhältniß mit Ihrer Köchin Seine Majestät choquirt. Sie thäten besser, sie wegzuschicken, oder wieder zu heirathen.«
»Wenn ich die Ungnade Seiner Majestät damit abwenden könnte – mein Gott, ich bin ja zu allem bereit – jeden Augenblick.«
»Warten Sie's doch noch ab,« – entgegnete der Wirkliche, wirklich von diesem Zeichen der Devotion überrascht. »Es kann sich manches wieder ändern. Ueberhaupt müssen wir warten,« setzte er hinzu, »denn ich besinne mich, daß der Minister morgen wegen des Geburtstags Seiner Majestät nicht zu sprechen ist.«
Mit etwas erleichtertem Herzen nahm Lupinus seinen Rückzug. Bovillard schien schon einer Reihe anderer Gedanken gefolgt, als er, die Hand an der Thür, ihm ein
à propos
nachrief:
»A propos, wissen Sie nicht, was aus der Jenny geworden ist!«
Lupinus, halb schon aus der Thür, war im Augenblick zurückgeschnellt, und mit derselben Elasticität verklärte sich sein Gesicht zu einem Ausdruck, der das grade Gegenstück zu dem während dieser peinlichen Unterhaltung war. Es war die allmächtige Natur, welche die Folterbande gesprengt hatte.
»Die ging ja nach Leipzig – nach dem Vorfall –«
»Das weiß ich. Aber von da?«
»Man sagte, nach Paris.
Ah! ces souvenirs!
« Der Geheimrath von der Vogtei küsste seine Finger.
»Wie eine Gazelle,« sagte der Wirkliche.
»Und eine Taille!«
»
Quand elle pirouettait autor d'elle-même –
«.
»
En petit comité
viel ravissanter, als hinter den Lampen. Diese Grazie!«
»Augen wie eine
étincelle.
«
»
Et sont esprit!
«
»Witzig! Sie konnte fünf Mann todt machen.«
»
Et ses délicieux petits pieds!
Erinnern sich Herr Geheimrath noch an jenen Abend, wie sie auf den Tisch sprang?« –
»
N'en parlons pas!
« Bovillard wehrte mit der Hand. Mit einem eigentümlichen Blick setzte er hinzu. »
Mon cher conseiller, c'est à vous taire – et surtout à présent!
«
»
A moi!
« Lupinus senkte die Augen, die Hand auf der Brust. »
D'ailleurs ces souvenirs dureront plus que ma vie.
«
»Ja, sie hat manche Erinnerungen hinterlassen,« schmunzelte Bovillard.
»Und man kann sie ordentlich historisch verfolgen,« setzte der Andere hinzu. »So was kommt doch nicht wieder. Sind Herr Geheimrath nicht auch der Meinung, es verschlechtert sich Alles in der Welt.«
»Es kann aber auch Einiges besser werden,« sagte Bovillard. Noch einmal rief er dem Scheidenden nach: »Also,
un peu plus de morale et – de modération.
«
Neuntes Kapitel.
Der dritte August.
Der dritte August fing in Berlin an ein Feiertag zu werden. Die Bürger freuten sich, daß sie einen guten König hatten. Sie hatten lange keinen guten König gehabt; denn der alte Fritz war wohl ein großer König, aber er war ein Fürst gewesen, den eine tiefe Kluft des Respekts von seinem Volk trennte. Es verehrte, es bewunderte ihn, aber den Bürger schauerte, wenn er dachte, daß er mit ihm auf einer Diele, unter einem Dache stehen sollte. Der Müller von Sanssouci war ein einzelner Mann. Und zuletzt war der alte Fritz sehr alt geworden und grämlich, und seine Kaffeeriecher drangen in die Häuser und die Hütten. Wenn er durch die Linden ritt auf seinem alten Schimmel, liefen ihm die Kinder nach und schrieen und waren glücklich, wenn sie die Sohle seines Stiefels, den Saum seines Rockes anfassen konnten, auch leuchtete sein Auge noch immer groß und durchdringend, und die Bürger erstarrten in Ehrfurcht vor dem großen Könige, aber Liebe hat der matte Strahl des großen Auges nicht mehr geweckt.
Und als der
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