Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
Marmorpalais contrefeien müssen. Da sagte auch neulich Fleck – doch das erinnern sich Herr Geheimrath, – von der Auguste könnte die Schick agiren lernen, wenn sie die Dido singt.
Enfin, je vous assure, mon génie protecteur, on n'y va que pour faire ses études artistiques, philosophiques, psychologiques –
«
»
Et physiologiques,
« unterbrach Bovillard. »Und was studirten Sie, Herr Geheimrath?«
»Menschenkenntniß, Herr Geheimrath. Lernt man in der Schwäche sich nicht selbst am besten kennen?«
»Das will ich gelten lassen. Darum schickte ein gewisser Jemand auch wohl seine Pantoffeln in das Haus.«
Der Geheimrath senkte den Blick: »So viel mir bekannt, sind diese schon vor Monaten wieder abgeholt.«
»Das ist sehr klug von dem Jemand gehandelt. Denn, merken Sie noch etwas, eine Polizeiordre ist unter der Feder, in diesen Häusern soll künftig eine Präsenzliste geführt werden. Wer aus- und eingehet, muß seinen Namen einschreiben. An jedem Morgen wird der Polizeipräsident wissen, wer sie besucht hat, und die Beamten werden höheren Orts gemeldet.«
Die beiden Geheimräthe sahen sich unwillkürlich mit einem wunderbaren Blicke an. Es entstand eine Pause. Eine vertraulichere Stimmung schien zwischen dem Wirklichen und dem Nichtwirklichen eingetreten, als jener nach einem kurzen Ambuliren seine verschanzte Stellung im Stich lassend, sich mit überkreuzten Beinen auf das Sopha setzte. Der Nichtwirkliche nahm bescheiden in der andern Ecke Platz.
»Und dann, warum müssen Sie mit jeder Schürze auf der Straße Konversation anfangen, und jedes hübsche Dienstmädchen in die Backen kneifen?«
»
Mon Dieu,
auch das ein Verbrechen, wenn das Herz uns treibt, unsere Mitmenschen zu uns zu erheben!
Je vous proteste, ce n'est rien que l'inspiration d'un coeur humain.
«
»Genialität,
mon ami! Ces beaux temps sont passées.
Sie werden mich gewiß nicht zu den Rigorosen rechnen, aber man muß doch auch mit einem gewissen Ernst, der unserer Stellung und unserm Alter ziemt, die Verhältnisse betrachten. Es musste anders werden. Das sittliche Gefühl des jungen Monarchen war durch so viel Affröses verletzt. Man hätte sich nicht wundern dürfen, wenn er selbst mit rigoroser Strenge dazwischen fuhr. Aber in seiner milden, bescheidenen Weise zieht er es vor, nur durch sein Beispiel zu wirken. Und es ist überraschend, wie es schon gewirkt hat. Wie menagiren sich jetzt die Damen am Hofe! Hört man noch das disgustirende Geplauder von sonst! Ein Wort, ein strafender Blick der Königin, und wie der Nebel bei Sonnenschein wird es rein – die chocquirenden Konfidenzen verstummen. Kennen Sie die alte Voß wieder? Ganz die Airs einer würdigen Matrone! Wenn es auch noch nicht überall einklingt, so macht man doch Efforts. Selbst Comteß Laura, geht sie wohl noch so ausgeschnitten wie sonst? Und wenn man auch noch die Redouten in Bergers Saal besucht, mit welcher Decenz geschieht es. Da kennt Keine die Andere, so tief maskirt! Ihre Wagen lassen sie schon an der Ecke der Dorotheenstraße zurück. Nein, die Progressen in der öffentlichen Moral sind unverkennbar. Und die Minister! Was kann denn erhebender sein, als wie der unsere den Glanz des Weltmannes von sich abgestreift hat, und wie ein Patriarch unter den Seinen lebt. Die Frau Ministerin, wenn sie das schlichte Häubchen auf dem Kopf, die Schürze vor, als Hausfrau in Küch' und Keller waltet! Ein Fremder könnte glauben, daß er in eine gewöhnliche Bürgerwirthschaft geräth. Ein herzlicher Händedruck würde ihn begrüßen, ein Trunk Bier steht immer auf dem Tische.« –
»Trinken Excellenz jetzt Bier?« fiel Lupinus rasch ein. – »Wahrscheinlich von dem, was mein Freund, der Hofrath Fredersdorf in Spandow braut. Ein treffliches Bier, aber sollte es ganz nach Excellenz Geschmack sein?«
»Das thut wohl nichts zur Sache. Ich meinte nur –«
»Vielleicht nur des Magens wegen – Excellenz leiden an Indigestionen – da würde ein bitteres Magenbier, zum Exempel das Zerbster – der Magen eines Ministers ist etwas kostbares für das Land – ich habe da eine gute Quelle. Meinen Herr Geheimrath vielleicht, daß Excellenz es nicht ungütig nehmen würden, wenn ich mir erlaubte, ein Fässchen –«
»Sorgen Sie lieber für Ihren eigenen Magen,« sagte Bovillard aufstehend, »denn Sie haben viel Verdorbenes gut zu machen!« Aber der Alp auf der Brust des Geheimrath Lupinus schien sich doch allmälig gelöst zu haben, als er die Theilnahme seines Gönners
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