Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
Antwort begann mit einem lang gezogenen »Na! – Das ist wahr, ein Petit-Maitre will er nicht sein, und die Cour macht er auch nicht, nämlich in Gesellschaften, und spricht auch nicht, als ob er die Weisheit mit Löffeln gegessen hätte, denn er macht sich nichts aus den Gelehrten, aber –«
Das »Aber« der schönen Frau, als sie inne hielt, schien lautlos von allen Lippen wiederholt, nur ihr Gemahl rief es laut lachend: »Aber, Auguste, nur raus damit!«
»Ah,« rief sie rasch, »mein Mann thut jetzt, als wenn er wünschte, daß ich Alles ausplaudern sollte, weil er so thut, als ob er sich nichts draus machte. Nachher, zu Hause, und im Wagen schon, würde er mir das Kapitel lesen: Aber, Auguste, wie konntest Du wieder! Sehn Sie, wie er das Kinn im Halstuch versteckt. Er möchte Sie glauben machen, daß er sich vor Lachen ausschüttet, aber – aber ich will keine Komödie vor Ihnen aufführen.«
Das Urtheil über die Baronin lautete heute sehr verschieden. »Wer hätte es von ihr gedacht!« sagte die Dame, welche wir als Staatsräthin angeredet hörten. »Früher nicht den Mund geöffnet, ohne eine Betise zu sagen und wirft jetzt mit Sottisen um sich!«
»Ich weiß aber nicht,« entgegnete die Andere, »ob mir das rohe Tuch nicht lieber war, als die neue Appretur im Lagerhause.«
»Die sie indeß gewiß nicht dem Bügeleisen ihres Mannes verdankt,« fiel die Erste ein. »So lange sie neu ist, wird ihre Neuheit frappiren; ich fürchte aber, daß es mit dem Glanze gehen wird, wie mit dem Tuche ihres Gemahls: nach den ersten Regengüssen wird es fadenscheinig.«
Die Urtheile der Männer lauteten günstiger. Einige gingen so weit, zu behaupten, sie hätte ihren Verstand nur cachirt oder ihr Mann ihn nicht aufkommen lassen, wogegen Andere wollten, er sei vielleicht gerade durch die Reibung mit ihm ins Leben gerufen. Die Feineren lächelten: es war ja die Wirkung der Liebe. Die Flammen hatten eine Eiskruste oder Bleirinde gesprengt.
Zweiundsechszigstes Kapitel.
Nationalität.
In einem anderen Zimmer sah man Staatsmänner, Gelehrte und Künstler sich um die Wirthin bewegen. Die Zeitverhältnisse, die Politik waren in das Gespräch gezogen, aber mit jenem Takt, der alles Bestimmte und Persönliche ausschloß.
Eine jener Stimmen war hier erklungen, die damals nur wie vereinzelte Akkorde, Trompetenstöße aus einem mythischen Lande, in das Gewirr des Tages schmetterten, um später zu einem rauschenden Orgelton zu werden. Nicht daß nicht schon im Volke, unter einzelnen Gelehrten, in den Universitäten und Schulen der Ruf der Nationalität vibrirte, den später die Arndt und Andere, zu einem mächtigen Schlachtruf für die deutsche Nation erhoben, aber in den höhern Kreisen der Gesellschaft verstummten diese Töne, erstickten diese Luftzuckungen noch immer an einer ganz – andern Luftatmosphäre. Man hörte sie an, nicht ungefällig, aber vornehm Beifall lächelnd, wie man eine neue, überraschende Erfindung betrachtet, deren glänzende Erscheinung man zwar bewundert, aber die Wirksamkeit und Dauerhaftigkeit bezweifelt.
Man hatte nachdenklich einem Redner zugehört, welcher gesprochen von der Heiligkeit, einem Volke anzugehören, von dem Recht auf Sprache, Sitte, eigenes Wesen, ja von der Pflicht desselben, für dieses höchste Gut sein Alles einzusetzen. Eine Nation, die gegen diese Pflicht gleichgültig werde, habe schon das Anrecht auf ihre Existenz eingebüßt. So weit ward der Sprecher verstanden, die Damen hatten Verse aus der Jungfrau von Orleans und Tell citirt. Aber als er weiter ging, und nicht sowohl den Haß gegen alles Französische, nicht allein gegen Bonaparte und seine Soldaten, gegen die Revolution und die Jakobiner empfahl, worin man ihm beigestimmt haben würde; als er es als noch heiligere Pflicht forderte, daß der Einzelne wie das Ganze sich versenke in das, was deutsche Art und Wesen sei; daß nur dann, wenn wir dieses wieder rein hergestellt in der Sprache, unsern Gewohnheiten, unserer Denkweise, wenn wir ganz wieder zurückgekehrt zur eigenthümlichen Anschauungsart unserer Väter, das Fremdartige, was durch Jahrhunderte sich in unser Blut gefressen, abstreifend und ausmerzend, daß nur dann Rettung sei für unsere Nation von der Fremdherrschaft: da hörte man wohl belobende Phrasen, die Meisten aber verstanden es nicht, Andere schwiegen, noch Andere schüttelten den Kopf.
Der Redner hatte eine noch kühnere Hypothese aufgestellt: nur in der Nationalität sei die Wurzel der
Weitere Kostenlose Bücher