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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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schien ihn jetzt auf einige Fehler derselben aufmerksam zu machen.
    »Ich habe, die Eloquenz admirirt,« entgegnete der Künstler. »Überhaupt, wenn in den Schulen etwas dafür gethan würde, möchte die
art rhétorique
auch in Deutschland Progressen machen.« – »Ich meine, was Sie zur Sache sagen. Was halten Sie von der Nationalität, Schadow? Ein Künstler muß darüber ein Urtheil haben.« – »Meine gnädige Fürstin,« entgegnete der Bildhauer, »wenn man die Menschen nackend auszieht, so sieht Einer aus wie der Andere, und wir Skulpteurs haben's eigentlich nur mit nackten Menschen zu thun.« – »Aber die Rassen sind anders gebildet. Wo wären die Götterbilder der Griechen, wenn ihre Phidias und Praxiteles nur nackte Hottentotten gesehen hätten.« – »Ich parire darauf, wenn Phidias sich nur eine hübsche Hottentottin ausgesucht, er würde auch eine Venus zu Stande gekriegt haben, die unsere Amateurs admiriren müssten. Und was die Rassen betrifft, so ist unsere deutsche auch eben keine Schönheit gewesen. Nach den Deskriptions der Historiker und den Skulpturen an den Säulenbildern waren unsere barbarischen Vorfahren auch barbarisch hässlich.« – »Die Kultur also hat die Rassen veredelt. Das ist Ihre Meinung?« – »Sie könnte noch immer etwas mehr thun, als sie gethan hat; indessen wir Künstler dürfen es nicht zu genau nehmen. Wo wir nichts finden, borgen wir, hier einen Arm, da ein Bein, eine Hüfte, eine Schulter –« »Und das Beste thun Sie selbst hinzu, die Harmonie. Die Kunst ist Stückwerk, wie Alles unter dem Monde, der Geist muß in die Formen fahren, um ihnen eine Seele zu geben. Aber Sie wollen mich nicht verstehen und verstehen mich doch. Die Griechen waren eine Nation, die Römer –« »Die Juden sind auch eine,« fiel Schadow ein, »und doch rümpft man in der Société die Rase.«
    »Ich will Ihre Meinung wissen, Schadow,« sagte die Fürstin mit entschiedenem Ton. »Ihre Moquerien ein ander Mal.«
    »Wenn man meine Skulpturen so gütig ist zu rühmen,« sagte der Künstler, »ist's jetzt so Mode, ein Schwanzende dran zu setzen, daß wir uns von der französischen Imitation losreißen müssten. Ich habe auch nichts dagegen; wer frei stehen kann, mag sich losreißen, aber ein Kind gebiert sich nicht selbst. Es ist dazu eine Mutter und ein Vater nöthig, und die mussten wieder Väter und Mütter haben. Meine ersten Väter waren die französischen Maitres, die der
grand Frédéric
herbeirief. Was fängt die junge Welt jetzt an gegen sie zu schwätzen! Auch meine Jungens, der Rudolf und Wilhelm, thun's, seit sie den Mund aufthun können, als müsste es so sein. Habe auch nichts dagegen, denn Schwatzen gehört zum Leben, aber ich lache so im Stillen, was wäre ich denn, und was wäret Ihr und wir Alle ohne die Franzosen! Und die Franzosen ohne die Italiener und die ohne die Griechen und Römer! Und die Griechen vielleicht ohne die Aegypter und so weiter.« – »Sie mögen Recht haben.«
    »Da wollen sie jetzt auf Goldgrund malen, lange Engelsgesichter mit Wickelkinderleibern und mit Schleppkleidern, und das nennen sie deutsch, weil sie vor vierhundert Jahren, als das Gold noch wohlfeiler war, die Leinwand so angestrichen haben. Als ob der Fiesole und die Florentiner so gemalt hätten, wenn sie damals schon Besseres gesehen.« – »Sie springen ab. Ist die Nationalität Ihnen gar nichts?«
    »Das Kleid, was der Mensch sich anlegt, weil wir nun einmal nicht nackt gehen sollen. Sie sagen, es schickt sich nicht, ich aber meine, weil wir zu eitel sind. Weiter nichts, um unsere Gebrechen und Unschönheiten zu bemänteln, legen wir Cotillons, Surtouts und Redingoten an. Und gar nicht nach unserer Wahl, wie wir's von unser Voreltern überkommen haben. Wir ändern nur den Schnitt. Und von wem kommt der? So weit Sie zurückgehen, aus Paris. Nehmen Sie mir Stück für Stück vom Leibe, was vom Auslande stammt, und ich würde wirklich mich nicht unterstehen, in dem Kostüm, was die Natur mir lässt, vor Euer Erlaucht stehen zu bleiben. Was ist's nun mit der Nationalität anders, gnädigste Frau, verschieden geschnittene und gefärbte Röcke um dieselben Menschen. Freilich pressen enge Schuhe den Fuß der Chinesinnen klein, und der des Türken wächst plump in seinen weiten Pantoffeln, aber der Fuß bleibt Fuß, und mit der Sohle treten sie in Grönland auf und in Konstantinopel. Ist der Franzose ein Anderer, weil er mehr auf den Zehen geht, und wir mehr auf den Hacken? Wo wir nun Alle

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