Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
fortgingen, um nicht wieder zu kommen? Vielleicht ward sie auch gemißhandelt, und von denen, die sie wirklich zu lieben geglaubt; ihre edelsten Empfindungen, wenn sie sich zu äußern wagten, wurden verspottet. Und das durch Monden, Jahre wiederholt. Solchen Fonds von Erfahrungen hinter sich, Täuschungen darf man es nicht mehr nennen, erwarten wir von ihr etwas anderes als Verachtung, Bitterkeit gegen das ganze Geschlecht! Ich könnte sie mir denken als eine Intriguantin, welche ihre Lust darin findet, die Männer gegen einander zu hetzen, als ein Brandstifterin, eine Semiramis, eine Amazonenkönigin, die die Brandfackel in Lander und Städte wirft –«
»Vielleicht auch als Brinvilliers – das ist das richtige Argument des Verstandes, meine theure Frau. Das wahrhaft von der Liebe erfüllte Gemüth – Was ist Ihnen?«
»Nichts – ein vorübergehender Stich vom langen Sitzen.«
»Die Liebe sucht nichts, die Liebe findet Alles,« fuhr die Fürstin mit süßer Stimme fort. »Wer nur ein Ohr dafür hat, nicht muthwillig es schließt, wo der Spring unter der grünen Tiefe rauscht, aus Furcht, daß er zu furchtbar vorbricht. O, die Thörichten! Sehen Sie da den Rittmeister und die Eitelbach! Wo Alles sich findet, was sich nur suchen will, gehen sie wie Wachspuppen einander vorüber.«
»Mich dünkt, Adelheid und der junge Bovillard thun das auch.« – »Kinder, die Versteck spielen.« – »Ich glaubte, sie in Feuer und Flammen zu finden.« – »Im hellen Zimmer jagen, im dunkeln fangen sie sich.« – »Mamsell Alltag ist blaß.« – »Unter den vielen Geschminkten.« – »Der Marmorausdruck ihres Gesichts –«
»Geliehen, theuerste Frau! Was das arme Kind sich Mühe giebt, ihr Gefühl uns zu verbergen, die tausend Nadelstiche, die das kleine Herz durchbohren! Solche widernatürlichen Affekte rächen sich.« – »Aber eine mütterliche Freundin, wie Erlaucht, wird der Leidenden zu Hülfe kommen.« – »Da darf kein Fremder helfen wollen. Wahr und wahrhaftig nicht. Die Natur findet ihren Weg und die Knospe bricht auf, wenn die Blume reif ist.«
»Schade nur, wenn das arme Mädchen sich wieder täuschte!« sagte die Lupinus nach einer Pause. – »Wie meinen Sie das?« – »Der junge Herr von Bovillard ist zwar, was man nennt, in der Gesellschaft wieder ehrlich gemacht, aber – ein Sort kann er ihr doch nicht machen. Ich glaube schwerlich, daß man ihm eine Anstellung gäbe, wie jetzt die Dinge stehen. Sein Vater hat auch nicht mehr den früheren Einfluß. Der alte Alltag würde mit der Mariage ebensowenig zufrieden sein.«
Ein vornehmes Lächeln schwebte um die Mundwinkel der Fürstin: »Daran habe ich wirklich nicht gedacht.« – »Hat Ihre Majestät noch das Verlangen. Adelheid zu sehen?« – »Die Königin hat wirklich an Anderes zu denken. Da fällt mir ein, in der Magdalena, die hier die Arme, nach Ihrer glücklichen Entdeckung, dem verlorenen Sohn entgegen hält, findet Schadow Ähnlichkeit mit unserer Adelheid.«
Die Geheimräthin lorgnettirte: »Der Schnitt des Gesichtes, aber – ich mochte eher eine Verwandtschaft mit der Comteß Laura entdecken.« – »Wie sein wieder Ihr Blick, Sie sind eine geborene Kunstkennerin. Merkwürdig, Laura ist fast ganz so kostümirt. Wir wollen die schönen Mädchen uns herrufen, um zu entscheiden, wer ein näheres Anrecht darauf hat, eine Heilige zu werden.«
Die schönen Mädchen waren nicht im Magdalenen-Zimmer. In dem Kabinet hinter den Feuerlilien stand Adelheid, an derselben Thürpfoste, wo die Comteß gestanden; fast in derselben Stellung, auch sie blickte durch die Thürritze, theilnahmlos. zerstreut, wenn Vorübergehende sie anredeten. Die Gargazin und die Lupinus sahen sich bedeutungsvoll an. Es war nicht Zeit mehr zu seinen Beobachtungen. Das war kein eitles Spiel einer Koketten, die auf neue Eroberungen sinnt, die sich im Gedanken vor dem Spiegel schmückt und, in der Phantasie ihr eigen Bild malend, sich fragt: »wirst du ihm so gefallen?« Sie athmete nicht, sie zitterte nicht, aber der Rand des Blumentisches, den sie krampfhaft fasste, hätte, wenn er Empfindung gehabt, einen eiskalten Druck empfunden. Sie wusste nicht, daß ihr Lockenbund sich gelöst und eine Flechte, sie entstellend, auf die Seite fiel, sie fühlte den Boden unter sich brennen, und ihr war eiskalt zu Muthe; nur schoß es zuweilen glühend heiß durch die Adern, und gegen die Augen drängte es wie ein Strom, der einen Ausweg sucht, aber die Wächter haben die Schleusen
Weitere Kostenlose Bücher