Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
sich nicht vernichtet fühlt,« sagte die Almedingen. »Weshalb, meine Gnädigste?« – »Weil er die Ursach war, daß ein Prinz von Geblüt sich selbst vergaß. Wenn eine solche Gewissenslast auf mich drückte, ich wüsste doch nichts anderes, als daß ich mir das Leben nehmen müsste.« – »Die Gewissen sind verschieden,« entgegnete Fuchsius. »Das ist eine wunderbare Gabe Gottes. Herr Lupinus gehört zu der großen Klasse Menschen, die man wie die Frösche mit Keulen in den Sumpf stampfen mag, sie stecken die Köpfe doch wieder raus.«
Das zarte Gefühl der Almedingen erlaubte ihr nicht länger dem Gespräche zuzuhören. Als sie gegangen, sagte der Besternte: »Mich dünkt, zu dieser Klasse gehört die Majorität der Menschen.« Der Regierungsrath erwiderte: »Wenigstens, wenn die Keulenschläge, die sie täglich empfangen, sie zur Besinnung ihres Unwerths brächten, wäre die Welt eine andere, als sie ist.«
Die Nachricht lief um, der Prinz werde gar nicht kommen. Es seien Depeschen vom Rhein höchst betrübenden Inhalts eingelaufen, darauf er zu Hofe berufen. »Und sie lässt noch nicht serviren!« seufzte ein Präsident, die Uhrkette ziehend.
Die noch nicht serviren ließ, hatte während dessen die Goldstücke vom Spieltisch eingesammelt und, nachdem sie dieselben in Papier gewickelt, in den Pompadour der Geheimräthin gleiten lassen.
»Wollen Sie mich bestechen?« – »Ich könnte Sie doch nur belohnen wollen, daß Sie meinen Abend durch ihre Heiterkeit geschmückt.« – »Ich bin schon belohnt durch den Genuß, den mir Ihre Pikturen gewähren. Von wem ist dieser verlorene Sohn?« – »Von einem Spanier. Ein Ribera, sagt man; Einige wollen gar von Murillo. Betrachten Sie diese Schwielenhaut, diese Kruste von Schmutz, man sieht ordentlich die verschiedenen Lager, auf denen er sich gewälzt.« – »Ich bewundere nur das Gesicht. Aufgedunsen wie von der schlechten Nahrung, aber wie glüht das Auge!« – »Einige finden Ähnlichkeit mit Prinz Louis Ferdinand.« – »Wie blaß, bemerken Sie, Erlaucht, bei dieser Beleuchtung. Ich möchte eher an den jungen Bovillard erinnert werden.« – »In der That. Die schwarzen Brauen, auch im Kinn. – Warum ist diese herrliche Parabel nicht weiter geführt? Wir sehen nur die Vaterfreude. Wenn auch die Geliebte seiner Jugend die Arme dem Verlorenen entgegen breitete, wie viel rührender wäre die Geschichte.« – »Sie könnte auch aus Verzweiflung verloren, vielleicht die Magdalene selbst geworden sein.« – »Da hebt ja schon eine heilige Magdalene die Arme ihm entgegen. Wenn man die zwei Rahmstücke ausschnitte, wäre es ein Bild. Dieselbe Größe, dieselbe Färbung.« – »Überraschend! Worauf Sie mich aufmerksam machen!« – »Erlaucht haben viele Magdalenbilder! Wohin ich sehe –« »Hier Battoni, da Correggio; da ist auch ein Murillo – den liebe ich weniger – dort ein Carlo Dolce, ein Vau der Werff, Guido Reni. Von geschickten Malern kopirt; ich gab ihnen meist selbst Anleitung.«
»Seltsam.« sagte die Geheimräthin, »ich erinnere mich keiner Magdalene von Raphael.«
»Der
divino maëstro
hatte sich so ganz der Marienverehrung hingegeben! Für mich hat der Magdalenenkultus etwas Berauschenderes. Leben wir nicht Alle der Erde näher, keimt nicht das Veilchen aus ihrer dumpfen Verborgenheit, athmet die Nelke nicht ihre Würze, fühlt unsere Brust sich nicht wunderbar geschmeichelt vom Duft der Nachtschatten! Die Marien bewundern, die Magdalenen begreifen wir. Wenn die ewige Jungfrau ihren Arm um uns legt, müsste es, dünkt mich, die Empfindung wie eines vom Blitz Getroffenen sein! wenn die heilige Magdalene ihn sanft um uns schlingt, o, wie anders, wie gern würden wir uns von ihr heben lassen, schweben durch die Wolken, die sich öffnen, denn sie flüstert uns Balsamworte zu: auch ich kannte Deine Schmerzen und Deine Wonnen. Für mich ist die Magdalene der eigentliche Inbegriff des Mysteriums der göttlichen Liebe.« – »Hat sie denn wirklich geliebt,« sagte die Geheimräthin. »Mich dünkt, ihre Art von Liebe konnte nicht zum Glauben führen!« – »Weil sie changirte?« – »Ja, wäre sie eine Sultanin gewesen, die ihre Lieblinge sich wählte und entließ, um endlich ihr Ideal zu finden. Aber sie ist doch gedacht als ein armes Mädchen. Hat nun ihr Fonds von Liebe ausgereicht, um alle die fortzulieben, die mit Seufzern und Schwüren kamen, mit Betheuerungen und Gluth, die Lieder und Geld zu ihren Füßen streuten, und gähnend
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