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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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Neugier oder die Müdigkeit, sie erregen neue Wünsche, neue Anstrengung, neue Arbeit, neues Leben. Was wäre auch das menschliche, wenn es an einem Schmerz schon verblutete, und Jedem sind der Schmerzen so viele zugemessen! Die Sonne der Liebe, die so wunderbar bei ihrem Aufgang in sein graues Leben gestrahlt, war versunken. – freilich, er hatte ihr Licht schon lange immer matter, immer kälter werden sehen, aber so plötzlich untergesunken, so dunkel, unheimlich war auf einmal die Nacht, daß mit ihr Alles versunken schien, was er gebaut, geträumt. Für sich, was sollte er da noch bauen, schaffen, wollen? Wozu? Was er für sich erstrebt, es hatte ja keinen Zweck mehr! Ehre? Wo war denn Ehre überhaupt zu gewinnen? Eine Existenz? Brauchte er um die zu ringen? Ein dampfender Schlund schien sich vor ihm zu öffnen, in den er, ein anderer Curtius, unverzagt gestürzt wäre. Er hatte den Kanonendonner bei den Revuen gehört, das Geprassel des Pelotonfeuers. Wenn das Ernst wäre, die breite Brust den dampfenden Batterieen entgegen zu halten, müsste es nicht eine Lust sein!
    Der Minister ließ ihn lange warten. Seine Ercelleuz waren in eifrigem Gespräch mit einem vornehmen Besuch. Wenn sie sich der Thür näherten, schallten Worte und ganze Sätze zu ihm; dann, die Klinke an der Hand, machten sie wieder Kehrt, es schien neues Öl in die Flamme gegossen, und indem sie sich tiefer ins Zimmer entfernten, gingen die Worte in unartikulirte Töne über. Er glaubte den Titel seiner Schrift zu hören. Er konnte sich aber auch getäuscht haben. Er näherte sich unwillkürlich dem Tische, worauf die letzte Lektüre des Ministers lag. Obenauf seine Schrift. Sie war an vielen Stellen eingeknifft. Er sah dicke rothe Striche, Frage- und Ausrufungszeichen. – Also doch darum! Sie hatte die volle Aufmerksamkeit des ausgezeichneten Mannes erregt. Musste er sich nicht vorbereiten? Er trat zaudernd noch näher. Da stand ein Bravo! dick neben einer Stelle. Sein Herz klopfte.
    Schon griff seine Hand nach dem Buche, als die Thür aufsprang und der Minister seinen Besuch hinaus begleitete. Sie bemerkten ihn im Eifer der Unterhaltung nicht; der Fremde mochte zur englischen Gesandtschaft gehören, sie sprachen englisch.
    »Mylord, Preußen ist durch den neuen Vertrag ohne Schwertstreich aus der Reihe der europäischen Mächte gestrichen. Sie können's in hundert Schriften lesen,« sprach der Minister. »Was verlangen Sie noch von uns?« – »Und doch hat Seine Majestät, Ihr König, Laforest's Antrag nicht gewillfahrt,« sagte der Engländer. – »Weil der unverschämte Mensch forderte, er solle Lombard für etwas belohnen, wofür –« »Sie und ich ihm einen andern Lohn gönnen,« fiel der Gesandte ein. »Indessen hatte Lombard nichts gethan, als was Seine Majestät billigen mussten, er hatte Hangwitz während dessen Abwesenheit vertheidigt, das heißt, den Vertrag, den der König selbst ratificirt hat.« – »Die Patrioten hätten Lombard in Stücke zerrissen, wenn man ihn noch dekorirte und beschenkte.« – »Seine Majestät hörten auf die Stimme des Volkes, aber auch auf die Ausfälle des Moniteur. Um Napoleon zu genügen, hat man den Baron Hardenberg entlassen.« – »Kämmerchen vermiethen,« warf der Minister hin. – »Excellenz, nichts desto weniger muß ich Ihnen bekennen, daß mein Kabinet gerade dies am wenigsten versteht. Und wenn mein Kabinet, das englische Volk begreift es nicht.« – »Giebt die Diplomatie niemals mit der einen Hand, um mit der andern zu nehmen?« – »Nicht in Krisen, wo man nicht weiß, ob man noch Zeit hat, den ausgestreckten Arm zurückzuziehen.«
    Der Minister, der eine Weile vor sich hingeblickt, zuckte mit den Achseln: »Und doch irren Sie, Mylord. Die Uhren auf dem Kontinent gehen langsam. Die Stunde ist noch nicht so weit vorgerückt.« – »Seiner Majestät Uhr ging rascher, als Sie uns Hannover nahmen, Ihre Häfen uns verschlossen.« – »Weil Napoleon schneidend auf die Ausführung des Vertrages drang. Er stand mit dem Hammer des Auktionators da.« – »Und jetzt mit dem Liktorenbeile, Excellenz. Er legt den Vertrag aus, wie es ihm gefällt. Er hat vor der Zeit Ihre Besatzung aus Wesel verdrängt. Der Kommandirende derselben hat, beinahe ausgehungert, in seiner abgeschnittenen Lage um die zurückgelassenen Vorräthe bitten müssen. Murat, der neu creirte Großherzog von Berg, hat, auch nach dem schmählichen Vertrage, unbestreitbar preußische Bezirke, Alten, Essen, Werden besetzt. Er

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