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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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nicht mehr die Gluth der Entrüstung und des Zornes, es war eine lösende Wärme, welche unsern Bekannten aus seiner Erstarrung ins Leben rief. Hier war ein Mißverständniß. Er fühlte sich so muthig wie je. Der Minister, der, ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen, gegangen war, und schon die Thür in der Hand hielt, hörte den entschiedenen Tritt des Andern hinter sich, er hörte ein Halt! ihm zurufen. Vielleicht wäre der Dreiste ihm ins andere Zimmer gefolgt, wenn er nicht an der Schwelle Kehrt gemacht. Vorhin hatte Walters Stimme ihn sanfter gestimmt; der klare, ruhige Blick, die gesetzte Haltung, mit der er ihn jetzt ansah, hemmte noch einmal das Gewitter, das im Losbruch, entweder gegen einen unerhört Unverschämten oder gegen einen Unschuldigen. Das klare blaue Auge sprach für die Unschuld.
    »Excellenz, ich weiß, was ich begehe, und weiß, daß ein Klingelzug, ein Rufen aus Ihrem Munde, über mein Loos entscheidet. Lassen Sie mich durch Ihre Diener hinauswerfen, ins Gefängniß schleppen, mir den Prozeß machen wegen Attentats gegen einen höhern Staatsbeamten im Dienst. Ich will nichts ableugnen, und weiß, daß es mehrere Jahre Festung, meine Karriere kosten kann. Dennoch! – So heilig Ihnen Ihr unbescholtener Ruf ist, so heilig mir meine Ehre. Der Staatsmann, den ich nicht mit den übrigen verwechsele, der die Dinge nach ihrem Werthe prüft, und die Menschen nicht nach ihrem Kleid und Namen, er hat mich, den er freundlich in sein Haus lud, hier in seinem Hause einen Plagiarius gescholten, er hat mich des Diebstahls, der Escroquerie bezüchtigt. Ich habe ein heiliges Menschenrecht dafür Rechenschaft zu fordern. Von Andern würde ich sie nicht fordern, die in brutalem Dünkel den Untergebenen nicht fähig halten zu denken, was sie nicht selbst gedacht; von Euer Excellenz fordere ich sie, und Sie werden sie mir gewähren. Wessen Gedanken habe ich entwendet, wessen Schrift nachgedruckt? Wen habe ich um seinen Vortheil betrogen? Diese Schrift, die Ansichten darin, falsch oder richtig, sind meine. Ich bin auf Tadel gefasst, ich werde auch Verspottung zu ertragen wissen, aber ich will mein Recht als Eigenthümer.«
    Er hatte das Heft vom Tisch ergriffen. Der Minister sah ihn mit einem durchdringenden Blicke eine Weile an, aber während der Zorn noch auf den Lippen schwebte, und den unteren Theil des Gesichts durchzuckte, glätteten sich schon die Falten der Stirn und unter den Brauen wurden die Augen klar, ja, ein spöttisches Lächeln fing an, sich über die Mundwinkel zu legen. »Die Gedanken, mein Herr, sind meine .«
    Walter hielt zum ersten Mal den Blick nicht aus, er senkte seine Augen; der Blick wurde ganz sarkastisch. »Meine eigenen,« wiederholte der Minister in einem Tone, der dem Blicke entsprach. »Ihre Artigkeit wird doch nicht Beweise fordern?« – »Und wäre das, mein Gott!« – »So wäre das noch keine große Sünde. Gedanken fliegen durch die Luft. Der Eine, arglos, im Eifer des Gesprächs, lässt sie über die Lippen, und sie vibriren von Ohr zu Ohr. bis der letzte Horcher sie in Worte fasst und sie für die seinen hält, weil er sie zu Papier bringt. Diesen Diebstahl will ich Ihnen verzeihen, aber –«
    Darauf war Walter allerdings nicht vorbereitet gewesen, aber ein Blick auf das Exemplar der Druckschrift in seiner Hand gab ihn den Muth zurück. Er hielt das dicke Bravo! mit Rothstift dem Minister entgegen: »Hier fanden Excellenz –« »Einen meiner Gedanken ausgeführt, wie es mir gefiel. Nein, ich bekenne mehr. Was ich erst flüchtig hingeworfen, auf eine andere Zeit die Ausführung versparend, fand ich so entwickelt, es bekam Hand und Fuß, es ward durch die Wendung ein neuer Gedanke. Es überraschle mich, und ich war froh, daß Jemand mich verstanden hat, in meinem Sinn gedacht, weiter gedacht als ich –« »Gott sei Dank!« brach es von Walters Lippen. Er vergaß in dem Augenblick seine Stellung, selbst die peinliche Lage, in der er sich noch befand. Er zuckte mit der Hand, als wolle er nach der des Ministers greifen. »Gott sei Dank, ich bin gerechtfertigt. Diese Wendung werden Sie mir doch als Eigenthum lassen!«
    Indem der Staatsmann ihn unverwandt anblickte, schien, die Wolke von vorhin sich wieder auf seinem Gesicht zu sammeln, aber es war eine Magie, um nicht zu sagen Sympathie in Beider Augen, welche den Ausbruch des Gewitters noch nicht zuließ. »Auch die darauf folgenden Seiten? Sehen Sie nach.« Walter blätterte. Sie waren mit Rothstift an der Seite von oben

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