Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
zieht die Kassen ein, requirirt für die Magazine, setzt Beamte ein und ab. Der Kaiser bleibt, aller Remonstrationen ungeachtet, herrisch dabei. Ihr Staat ist so absolut isolirt, daß er von Frankreich abhängig sein muß, und doch genügt das Napoleon nicht. In seinem Übermuthe spielt er mit Preußen, wie der Tiger mit seinem Opfer, ehe er es zerreißt. Wozu Schonung, er spricht es deutlich aus gegen Jeden, der es hören will, nicht vor seinen Ministern, vor seinen Stallknechten ruft er: was Rücksichten gegen einen Staat, der so tief in der öffentlichen Meinung sank, daß er nirgends Freunde hat; daß die es waren, am lautesten vor Schadenfreude lachen werden, wenn er zusammenstürzt. Napoleon sucht Krieg, er will Krieg, er provocirt ihn –« »Und findet lämmermüthige Geduld,« fiel der Minister unerwartet ein. Mit ironischem Lächeln fügte er hinzu: »Sollte Seiner Majestät dem Kaiser der Franzosen da nicht am Ende selbst die Geduld ausgehen?«
Der Brite fixirte ihn: »Eine Maske, Excellenz, thut zuweilen ihre Dienste, wenn man sich noch verstellen kann; wenn man aber sich so deployirt hat, daß der Feind alle Schwächen und Hülfsmittel kennt, ist es zu spät. Und wenn Sie es noch länger hinhalten, Ihr Volk hält es nicht länger aus.« – »Kennt man das auch in Paris?« sagte der Minister mit einem eigenthümlichen Ton, zwischen tiefem Ernst und leichtem Spott. – »Ihre Staatsmänner zählen noch nach Jahren,« hub der Brite wieder dringender an. »Ich nach Monden, Wochen, vielleicht nach Tagen. Wissen Sie hier nichts von den Verhandlungen mit den deutschen Fürsten im Westen und Süden? Um das Reich Karls des Großen zu stiften, müssen die Wittekinde vorher im Staube liegen. Er darf auch den Schein eines Sachsenreiches nicht dulden. Wüssten wirklich Ihre Staatsmänner nichts davon, verschlössen sie in unglaublicher Verblendung ihr Ohr, oder glauben Sie noch, ihr Veto einzulegen, wenn Alles abgemacht ist?«
Der Minister war bewegt, nicht durch die letzte Mittheilung des Engländers. Er hatte nur bis jetzt seine Stimmung durch Einwendungen in ironischem Tone zu verdecken gewusst. Wie tief er in eignen Gedanken versenkt war, beweist der Umstand, daß er das Vorzimmer vergaß, und Walter nicht bemerkte, obschon dieser keinen Versuch gemacht, sich zu verbergen. Der Engländer mochte ihn gesehen, aber für einen Vertrauten, zum Hause gehörig angesehen haben; auch setzte er vielleicht nicht voraus, daß ein Sekretär die englische Sprache verstand. Der Minister ging unruhig einige Schritte auf und ab. Walter hielt es sogar für seine Pflicht, durch ein Geräusch seine Anwesenheit zu verrathen, aber ohne seinen Zweck zu erreichen.
»Wir wissen noch mehr, Mylord,« sprach der Minister, vor dem Briten stehen bleibend. »Eine Revolution ist im Ausbruch, eine Revolution, welche allen, die gewesen sind, die Krone aufsetzt. Sie spielt in der Hofburg zu Wien. Der Steuermann springt in den Rettungskahn, Fahrzeug und Volk sich selbst, den Wellen überlassend. Franz II. legt die römische Kaiserwürde nieder, er will seine deutschen Provinzen los und ledig erklären von allen Pflichten gegen das Reich. Das Reich mag an der nächsten Klippe zerschellen, damit Oestreich gerettet wird.«
»Mich dünkt, einen preußischen Staatsmann sollte diese Nachricht nicht erschrecken,« sagte ruhig der britische Diplomat.
»Wenn er aus Herzbergs Schule ist! Wir fragen, hat er ein Recht dazu, darf er preisgeben ein ihm anvertrautes, heiliges, das höchste Amt der Nation, der Christenheit, ohne Die zu befragen, die durch freie Wahl es ihm auftrugen? Das deutsche Volk behält das unveräußerliche Recht auf sein Dasein.«
Der Brite fixirte ihn: »Sprechen Eure Reichsfreiherrliche Gnaden da als preußischer Minister?«
Im Staatsmann arbeitete ein Feuer fort, er hörte nicht den Einwand: »Das ist der Fluch jener französischen Revolution, die aus dem nackten Begriff schöpfte, und in den Hexenkessel roher Begriffe Alles einwarf, Todtes, Lebendiges, Ungebornes und Verwestes, aber auch das Heiligste und Gerechteste. Was blieb denn noch übrig, woran wir uns halten, wo der Vielfraß Zeit Alles aufzehrte, als das Vaterland! Zersetzen wir auch das auf seine Knochen und Fasern, dann Valet die letzte Sprungkraft, die uns aus dem Schlamm aufreißt. Ohne daß wir an Deutschland festhalten, ist kein Hessen und kein Sachsen, ja, kein Preußen und kein Österreich. Sie, Mylord, wenn ich nicht irre, rühmen sich Walliser Abkunft, was
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