Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
mehr zu rechnen, ich rechne allein – doch das gehört nicht hierher. Im Übrigen, Mylord, jetzt ist es Sommer, aber Bonaparte fängt erst im Herbst Krieg an.«
Sechsundsechszigstes Kapitel.
Ein Plagiarius wird entdeckt.
Walter hatte auf den ersten Blick in dem Minister den Mann erkannt, mit dem er zufällig in Sanssouci zusammengetroffen war – nicht zu seiner Überraschung; eine leise Ahnung war schon früher in ihm aufgestiegen. Dennoch fühlte er sich angenehm berührt. Er war bei dem ausgezeichneten Manne eingeführt, er kannte den Minister, der Minister ihn, er durfte hoffen von einer vorteilhaften Seite; so waren die ersten lästigen Formalien beseitigt. Nachdem der Engländer gegangen, durchschritt der Minister noch einmal das Vorzimmer. Die Mittheilungen des Briten beschäftigten ihn, die Lippen bewegten sich, die Hände spielten ein Pantomimenspiel, als er sich jetzt rasch nach dem Tische umkehrte. Wer sind Sie? »Was wollen Sie hier?« fuhr es heraus, als er Walter erblickte, und um die Augenbrauen wölbten sich gefährliche Runzeln. – »Euer Excellenz haben mich beschieden.« – »Wer – Sie sind doch nicht?« – »Mein Name ist Walter van Asten. Wenn keine Verwechselung unterlief, ward ich von Excellenz erwartet.«
Der Minister sah ihn von oben bis unten an. In den Runzeln der Augenbrauen sammelte sich ein Gewitter des Zornes, aber während um die Lippen ein spöttischer Zug bemerkbar ward, glänzte in den Augen, die ihn scharf durchbohrten, etwas von Mitleid mit Verachtung gemischt. – »Sie – Sie haben das da« – er griff nach Walters Brochüre, und indem er sie mit zwei Fingern verächtlich aufhob, hielt er sie ihm plötzlich mit beiden Händen vors Gesicht, um sie eben so rasch wieder an, den Tisch zu werfen. – »Das haben Sie geschrieben – ich meine, Sie haben es drucken lassen?« – »Ich habe keinen Grund es zu leugnen.« – »Und mir unterstehen Sie sich diese Schrift zu unterbreiten?« – »Ich erfuhr erst heute, daß Euer Excellenz von meiner Schrift Notiz genommen.« – »Der Rittmeister Dohleneck ist Ihr Freund?« – »So viel ich weiß, steht er zu meinem Vater in Verhältnissen.« – »Doch noch etwas Bescheidenheit, durch den Papa und die Freundschaft mir in die Hände zu spielen, wozu Ihnen selbst die Unverschämtheit abging. Gut gespielt, mein Herr, Sie können sich rühmen, daß ich Sie einen Augenblick für ehrlich hielt.« – »Wenn meine Ansichten oder meine Darstellung Euer Excellenz Mißfallen erregten, so glaube ich wenigstens diese Behandlung nicht verdient zu haben, da ich mich Ihnen damit nicht aufgedrängt habe. – Wenn Euer Excellenz mich nur deshalb rufen ließen so glaube ich jetzt entlassen zu sein.« – »Unversch – Ihre Ansichten! Herr, in drei – hat ein Plagiarius Ansichten? Kann ein Dieb sagen, der einen Kasten aus dem offenen Fenster stahl, daß ihm die Sachen darin gehören, wenn er sie in seiner Spelunke in Schränke und Fächer gestellt hat?«
Walters Blut stürzte gegen seine Brust, er presste die Lippen, seine Stirn glühte, und wie ein eiskalter Strahl zuckte es ihm zugleich vom Wirbel bis zur Zeh: »Was haben Euer Excellenz mir zu befehlen?« Er sprach es mit fester Stimme, aber es war der letzte Moment der Fassung. »Scheeren Sie sich zum –, wo Sie hergekommen und unterstehen sich nicht, mir wieder unter die Augen zu treten.« Der Minister hatte mit einer halben Wendung ihm den Rücken gekehrt.
»Ich werde nicht gehen!« hörte er hinter sich eine klar tönende Stimme. »Denn darum haben, darum können Excellenz mich nicht herberufen haben. Ich gehe nicht, weil ich es mir schuldig bin, und ich gehe nicht, weil ich es Euer Excellenz schuldig bin. Ich habe ein Recht, vor Ihnen gerechtfertigt zu werden, wie der Minister ein Recht hat, vor mir gerechtfertigt zu stehen, und wäre ich die unterste menschliche Kreatur in diesem Staate.« Der Freiherr sah ihn über die Schulter an: »Im Mundwerk ein Virtuos wie im Styl; aber ich liebe nicht Virtuosen, ich will Charaktere. Was haben Sie vorzubringen? Kurz!« – »Daß hier ein Mißverständniß sein muß.« – »Es ist Alles klar. Mit abgeschriebenen Gedanken wollen Sie sich brüsten. Gehen Sie zu andern Staatsmännern. Ich will Ihnen den Gefallen thun und Sie vergessen. Verstanden? Ganz vergessen! Machen Sie da Ihre Fortune. Aber, junger Mann, wenn es ernst ist um das Vaterland, und wo es sich handelt um seine heiligsten Interessen, da dulde ich keine Escroquerie.«
Es war
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