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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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was sie gewollt! – Dunkle Bilder wogten vor seiner Stirn – der Legationsrath, sein räthselhaftes Verhältniß zur Lupinus! Hatte sie einen Kuppelhandel treiben wollen? – Nein, vergiften – sie vergiften. Aber warum, womit? Weil Unglückliche den Anblick von Glücklichen nicht ertragen können? Weil der Adel einer rein gottgeschaffenen Seele zum beständigen Vorwurf für Die wird, welche diesen Adel eingebüßt. Es war plötzlich eine Überzeugung. die ihn durchdrang. Aber war es nur Instinkt gewesen, oder hatte sie systematisch gearbeitet? Mein Gott, ist es denn möglich, daß eine Frau systematisch an ein solches Geschäft geht! Es war wohl nur ein Gebilde des Argwohns, und doch – alle ihre Handlungen – und boten Erfahrung und Geschichte ihm. nicht hundert Beispiele einer solchen Verführungslust blos aus dem Gelüst zu verführen? Wie man dem Tobsüchtigen Wasserstürze giebt, hatte sie auf alle ihre warmen Gefühle einen Eisguß geschüttet. Das junge warme Herz, ja es sollte systematisch erkalten, vor der Zeit absterben, – nicht an eigenen bitteren Erfahrungen, an denen einer egoistischen Seele, die nicht mehr Liebe, Glaube, Hoffnung kannte. Ein blühendes Geschöpf, von der Natur mit allen Frühlingsregungen begabt, wollte sie zum ausgebrannten Vulkan machen. War sie das selbst? – Nein, etwas lebte doch in der Frau, ein geheimes Feuer – Haß, Neid, eine stille Wollust des Egoismus. Eine kaltherzige Egoistin ist zu Allem fähig. – So wollte sie Adelheid präpariren, zu einer Mitsünderin, einer Verlorenen, Trostlosen.
    Und er selbst! – Stand er ohne Schuld da? Hatte ihn nicht längst eine Ahnung überschlichen, daß die Lupinus dies beabsichtigte? Und hatte er die Ahnung nicht aus dem Sinn geschlagen, und aus Eigennutz? War es nicht sein Wunsch gewesen, daß seine Braut dort aushalte, weil er in diesem Hause freien Zutritt hatte, weil in letzter Zeit wenigstens die Geheimräthin seinen Wünschen entgegen zu kommen schien, weil er unter andern Verhältnissen, in einem andern Hause für seine Hoffnungen fürchten musste? Darum hatte er, zwar nicht gegen seine Pflicht gehandelt, aber doch – die Gedankensünde begangen. Selbst ein Egoist, wagte er Andere anzuklagen!
    Da rollte die Equipage der Fürstin vorüber, im Fond diese mit Adelheid, auf dem Rücksitz saß Louis Bovillard. Die Fürstin schien zu schlummern. Adelheid und Louis sahen nichts, sie sahen nur sich. Der Wagen war verschwunden, eine Erscheinung.
    Ein »Gott sei Dank!« löste sich aus Walters Brust, vielleicht von seinen Lippen. Er fühlte eine wohlthätige Transpiration. Das Schicksal hat es so, es hat es vielleicht zum Besten gefügt. Ja, im Kontobuch stand noch seine Schuld auf der Seite »Soll«,.aber sie war ausgeglichen auf der Seite »Hat«. Er hatte nichts mehr. Seine Geliebte war die Geliebte eines Anderen. Sie war gerettet, und er – verloren? Nein, er war nur frei geworden, um sein ganzes Ich, ohne Egoismus, hinzugeben einer andern Geliebten, liebten, dem Vaterlande, der Idee, als deren letztes Ziel in der Ferne – Deutschlands Errettung vom Fremdjoch schwebte.
    Mit Eifer setzte er sich an den Schreibtisch und seine Arbeit förderte sich. Er war fertig, als der Minister eintrat.
     
Neunundsechszigstes Kapitel.
     
Alles für einen Andern.
    Die verfinsterte Stirn des Ministers, mit welcher er eingetreten, erheiterte sich nicht, als er das Papier durchlas. Er flog es nur noch über, als er es auf den Tisch fallen ließ.
    »Das ist nichts – gar nichts.« – »Euer Excellenz Ideen –« »Die Ausführung taugt nichts. Dilettantenarbeit für Herrn Merkel in den Freimüthigen. Oder an die Zeitung da in Leipzig. Wir arbeiten hier nicht für die elegante Welt.« Walter hielt den Hut schon unter dem Arm und verengte sich, den Entlassungswink anticipirend.
    »Empfindlich! Das taugt nicht für die Staatskarriere.« – »Da meine Schrift nichts taugt, kommt wohl darauf nichts mehr an.« – »Man darf nicht der Empfindlichkeit nachhängen, wenn man sich berufen fühlt, für das Gemeinwesen thätig zu sein.« – »Mir wird eben der Beruf abgesprochen.«
    Der Minister hatte, ohne ihm zu antworten, das Papier wieder in die Hand genommen, und klopfte, indem er sprach, mit der umgekehrten Hand darauf. – »Dürfte« – »sollte« – »wagte!« »Wie soll das wirken! Das gleitet an den blasirten Ohren vorüber, wie eine obligate Flöte, die den Waldsturm akkompagniren will. Das Gleichniß vorn, machen Sie ein Gedicht daraus.

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