Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
des Herzens nicht zu verrathen!« – »Man gesteht ihm ebenso die Gabe zu fesseln zu, als abzustoßen.« – »Charaktere und ernste Sitte bedarf die Nation; der Staat darf es nicht so genau nehmen. Eine Libertinage, die nicht die publiken Sitten verletzt, darf ich übersehen. Er weiß das Siegel des Anstandes darauf zu drücken. Er beobachtet scharf, hat merveillöse Kenntnisse, Takt, mit seiner Suada entlockt er Geständnisse, ohne selbst etwas zu verrathen, er ist bei den Frauen beliebt, eine fast unerlässliche Eigenschaft eines Diplomaten, den man brauchen will,« setzte der Minister lächelnd hinzu. – »Seine Liaisons mit der Fürstin Gargazin sind Stadtgespräch.« – »Die sind in diesem Augenblick nicht hinderlich. Und zudem kann Haugwitz ihn nicht leiden, er fürchtet ihn. Das spricht zu seinen Gunsten.« – »So haben Excellenz bereits entschieden –« »Wenn er Feuer in der Brust sich bewahrt hat. Er muß noch glauben können, wenn er nicht mehr lieben kann, hassen, doch aus Herzensgrunde, das Schlechte, Erbärmliche, die Verrätherei, das Schönthun mit den Fremden; er muß noch hassen können, denn wer nur im Sumpfe fortschwimmt, mit der Resignation, endlich doch zu ertrinken, passt nicht für mich.« – »Er gilt als in intimem Conner mit den Männern der Lombardischen Clique.« – »Wissen Sie, ob er diese Kreaturen nicht nur belauschen, durch Gefälligkeiten ihre innerste Natur, wenn sie eine haben, ihre geheimsten Gedanken herauslocken will? Wissen Sie, ob hinter dieser Indifferenz, diesem blasirten Weltbürgerthum nicht ein Haß glimmt, wie ich ihn wünsche? Ja, dahin sind wir gekommen: bis er seine philanthropischen Schwärmereien, jenen Allerweltsgerechtigkeitssinn, ohne sich selbst je gerecht zu werden, nicht durch Kasteiungen und Blut sühnt, bis er nicht wieder zum Egoisten wird, ist Deutschland verloren.«
»Ich glaube, Excellenz, in diesen Studien befindet sich auch unser Volk.« – »Studien!« Da liegt das Elend. Studien vor einer Krisis! »Der Haß, der seine Verwünschungen ins Firmament speit, thut es nicht, der Weltsturm treibt die Dünste fort, ehe es zum Gewitter kommt! Handeln! und bis dahin ließen wir's kommen, daß wir nicht mehr offen handeln dürfen; die Tugend, die Thatkraft muß sich verbergen, hinter einer Larve agiren. Schlimm, daß es ist, aber es ist. Wir brauchen die Tugenden der Brutus, behüte uns Gott vor ihren Dolchen, aber jener zähen Festigkeit, die ihre Gefühle nicht bei jedem Gegenstand aufflackern lässt, sondern sie verschließt, im Stillen nährt, bis der Augenblick der That kam. Weshalb preisen wir jenen Mann, mit dem unsere Geschichte anfing? Spielte der römische Rittmeister in Rom den deutschen Patrioten, radotirte Arminius in den Kaffeehäusern über Deutschlands Unglück, sang er Lieder zur Guitarre, zum Ruhm seines unvergänglichen Vaterlandes, damit die Römerinnen dem blondhaarigen Schwärmer Bravo klatschten? Er schwieg und hatte die Augen auf, er schwieg und diente, um zu lernen, er schwieg und sammelte Haß und Haß, bis es ein Stock ward, den Feind zu zermalmen. – Wir sind herabgedrückt, entwürdigt, bis zu dieser Lage.« fuhr der Minister nach einer Pause fort; »aber noch schlimmer als die wirkliche Thatsache. wenn wir sie uns zu verbergen suchen. Offen es uns selbst eingestanden, daß ist der erste unerlässliche Schritt zur Rettung. Mir graut vor diesem Bramarbasiren, vor diesem Kornetsdünkel. Ich liebe die stillen Menschen, die sich des Urtheils enthalten, weil ich denke, sie könnten doch Vernünftiges, denken, wo die lauten Denker nur Unsinn zu Tage bringen.« Der Minister hatte ausgesprochen. Er ging noch in Aufregung umher, aber sein Blick forderte unsern Freund auf, seine Meinung auszusprechen.
»Einige, dünkt mich, sind still aus Überzeugung, weil ihre Ansicht nicht verstanden würde, Andere aus Furcht, die Mehrzahl aber, meine ich, aus Spekulation, um sich nicht zu kompromittiren, wenn die Dinge anders ausschlagen, als sie berechnet hatten.«
»So kennen Sie Wandel?« fragte der Minister scharf, vor ihm stehen bleibend. – »Ich sehe ungern in dies unbewegliche Gesicht.« – »Das stimmt mit Fuchsius. Weiter!« – »Ich kenne – ihn wirklich nicht, Excellenz.« – »Weiter!« sprach der Minister. – »Wenn der tiefste Grund des Menschen sich auf dem Gesichte irgend ein Mal abspiegelt, so erschrecke ich, daß ich nie einen Zug auf seinem sah, der den Menschen verrieth. Die Diplomatie mag andere Gesetze haben,
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