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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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noch bevor!«
    »Denen Herren von Fuchsius enthoben ist, weil er freiwillig seine Stellung aufgab.«
    »Das soll eine Spitze sein, lieber Asten, aber sie verwundet mich nicht. – Ich bin dennoch freiwillig abgetreten und zu meiner juristischen Karriere zurückgekehrt, trotz alledem, was Sie das Gegentheil zu glauben berechtigt.«
    »Ich setze voraus,« sagte Walter und reichte ihm die Hand, »daß Sie nach dem, was zwischen uns darüber verhandelt ist, in mir keine persönliche Rancune mehr vermuthen. Sie wäre jetzt ein Verbrechen.«
    Der Rath drückte die gebotene Hand. »Ich bin keinen Augenblick in Zweifel über Ihre Intentionen, und eben darum thun Sie mir leid. Sie werden das Meer der Täuschungen von vorn an ausschlürfen. – Zugeben will ich Ihnen übrigens, daß jener Umstand vielleicht der äußere Anlaß war, aber der Entschluß datirt von länger. Der Gedanke, daß Seine Excellenz, von jetzt ab, meine Arbeiten mit einer Reserve von Mißtrauen kontrolliren dürfte, änderte meine bisherige Stellung zu ihm; indessen, werthester Freund, was sind Stellungen, wo Alles Schattenbilder sind in einer
Laterna magica,
wir Alle Tropfen in einem Meer – Sie einer, Bovillard, der Freiherr selbst, Alle, Alle, die das Bessere wollen.«
    »Wer sich verloren giebt, ist verloren,« entgegnete Walter. »Wir sind künstlich isolirt, ja, umgürtet von Gräben, Wasser, Sandwällen, und unser Feuer droht in sich selbst sich zu verzehren. Das ist Ihre, das ist Vieler Ansicht. Aber wer berechnet die Macht des Feuers, wo ringsum trockene Stoffe lagern! Mag, einmal entzündet, es nicht zu einer Lohe aufschlagen, die über Deutschland sich ergießt. Mag sie nicht Europa in Flammen setzen!«
    »Und was dann! – Ich redete nicht davon. – Der Krieg liegt, ein so wüstes, trostloses, verworrenes Bild vor mir wie der Friede. – Ihr wollt das Volk wecken, einen Nationalkrieg entzünden – die Idee liegt doch dunkel im Hintergrunde?«
    »Und Sie theilten sie nicht?«
    »Ich habe sie getheilt – aber das ist vorüber. Einen Sturm wollen Sie los lassen, und was wirbelt er auf? – Staub.«
    »Und wofür leben Sie jetzt?«
    »Für die Verbrecherwelt. Die Wahrheit, die ich in der Psychologie des Staates nicht fand, suche ich in der der Gefängnisse. Es ist eigentlich derselbe Stempel, nur ursprünglicher, frischer. Das Schillersche Weltgericht finde ich hier viel conciser, konkreter. Die Kreise eines Verbrechers, klein fangen sie an, um rasch größer zu werden, bis er noch schneller seine Katastrophe erreicht; dann verengen sie sich wieder, immer rascher, bis sie zur Schlinge werden. Dort sehen wir nur Stückwerk, hier Totalitäten.«
    »Aber nichts, was das Gefühl erhebt.«
    »Wie aus dem unscheinbaren Keim eine ganze Verbrecherlaufbahn entspringt, wie die erste Unterlassungssünde, die Scham darüber, das Streben, es zu verbergen, ebenso oft als der Kitzel der Lust das Individuum weiter treibt, gäbe das keine Anschauungen, Belehrung, ja Erhebung? Da, in der großen Geschichte vertuscht man es, wie aus dem Kleinen das Ungeheure sich ballt, hier ist kein Grund dazu, die Diplomaten und Historiker fehlen, die das Schlechte schön malen, dem Albernen einen tiefen Sinn unterlegen. Die Natur giebt sich, wie sie ist, und versucht's ein Verbrecher, durch Lügen sich einen besseren Schein zu geben, so braucht man ihn nur fortlügen zu lassen, er verstrickt sich mit jedem Worte tiefer, unlösbarer, und die Wahrheit fällt wie der reife Apfel vom Baume. Und wenn mitten aus der Verworfenheit ein schöner menschlicher Zug, wie ein Licht aus bessern Welten, vorschießt, da kann dem Kriminalisten eine Thräne ins Auge treten, und er kann den Verbrecher lieben, den er verdammen muß. Ja, Theuerster, der Sprung aus der Politik in die Kriminalistik ist für mich zur Rettung geworden aus einer Welt der Verwesung, über der der gleißende Schein immer mehr reißt, in eine Naturwelt, wo es noch chaotisch daliegt, unschön, meinethalben ekelhaft, aber es ist die grelle Naturwahrheit, die der Mensch bessern, veredeln sollte, gewiß, es war seine Aufgabe, aber er hat sie verpfuscht. Jetzt begreife ich die Völkerwanderung. Die Barbaren, welche die römische Kulturwelt mit ihren Keulen niederschlugen, waren nicht etwa rohe Engel aus dem Paradiese, auch unter ihnen grassirten Laster, Blutsünde und Gräuel aller Art, aber sie waren der frische Abdruck des gigantischen Menschengeschlechts.«
    »Den finden Sie doch nicht unter Ihren Verbrechern in den

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