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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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ja es hatte noch nichts davon erfahren. Die Fürsten, welche an der Leimruthe saßen, auffliegen konnten sie nicht mehr, aber frei mit ihren Flügeln flattern, und der Großmüthige hatte sie dafür entschädigt mit den Beutestücken in seinem Netze, mit den freien Städten, den Gütern der Stifter, Klöster, der Reichsritterschaft, mit der Souveränität im eigenen Lande. Frei, von Niemand behindert, durften sie mit den Flügeln Die schlagen, die darunter ein Recht hatten auf Schutz. Ihre Rechte, die besiegelt standen in allen Verträgen, waren durch einen Federstrich ausgelöscht. Und die duftende Zeitungsphrase des Moniteurs sagte: »Des Kaisers Absichten hätten sich hier wie immer mit den wahren Interessen Deutschlands übereinstimmend gezeigt.« – Und wohin sollten sie schreien, wohin Hülfe flehend die Arme strecken? Der Kaiser hatte die römische Kaiserwürde niedergelegt, »da er außer Stande sei, seine beschworenen Pflichten gegen das Reich zu erfüllen.« Wo war das Reich, wo das deutsche Volk! Osterreich, des langen, ehrenwerthen Kampfes müde, hatte sich in sein Schneckenhaus gezogen, das halbe Reich hing im Netz des Eroberers, und nur Preußen stand allein im Winkel, ohne den Muth, ohne den Beruf, ohne die Mittel.
    Das fühlte Jeder in Preußen. Wenn eine Ueberzeugung auf dem trocknen Boden aufschießt, von dem wir reden, so haben Spötter behauptet, daß sie, wie ein Unkraut, das die Wolken säen, plötzlich die Felder überwuchert, oder wie ein Haidebrand über Berge und Thäler sich ergießt. Dann ist kein Widerstand mehr. Aber jeder Fanatismus berührt in der Regel nur gewisse Kreise, nur die an der Straße Wohnenden, die auf den Höhen Sichtbaren. Die in den tiefen Niederungen nur sich selbst leben, unbekümmert um was nicht ihre nächste Sorge angeht, berührt er nur selten. Aber der Fall war hier. Des Herzogs von Enghien Aufhebung und Füsillade hatte nur die politisch Denkenden und Fühlenden getroffen, was gehen den guten Bürger Staatsakte an! Darum haben sich Die zu kümmern, die dazu geboren sind, oder dafür bezahlt werden. Aber daß er den Buchhändler Palm in Braunau erschießen lassen, berührte das Gefühl des Menschen, sogar den Gedanken des Bürgers. War Palm nicht ein Bürger, eingeschrieben in die Bürgerrolle, der ruhig seinem Verdienste nachgegangen und ruhig seine Abgaben gezahlt hatte? Was ging ihn die Schrift an, die er verlegt, und noch dazu starb er den Heldentod, weil er Den nicht nennen wollte, dem er sein Wort gegeben zu schweigen! Das konnte Jedem »passiren!« Ist ein guter Bürger da, um den Heldentod zu sterben! Es war ein Brand, der durch alle Glieder ging, vom Wirbel bis zur Zeh. Die Entrüstung fand keine Worte dafür, und je gebundener die Meinung in dem andern gefesselten Deutschland war, so lauter sprach sie sich in Preußen aus. Man fühlte, was Freiheit war, und fing an zu begreifen, daß sie ein Gut, ein heiliges Menschenrecht ist. Zur Unterstützung der Familie des ermordeten Mannes wurden überall im Lande reiche Sammlungen veranstaltet, und die Regierung schritt nicht ein, weder aus Furcht vor dem Kaiser, noch wegen unbefugten Kollektirens.
    So sah es in den Bürgerhäusern aus. Wie es in den Palästen der Großen, in den Hotels der Minister aussah?
    In dem des neuen Ministers saß in dem Zimmer, das wir schon kennen, Walter van Asten am Schreibtisch. Aber die Flügelthüren waren zu dem neben anstoßenden Audienzsaal geöffnet, wo der Regierungsrath von Fuchsius auf und ab ging. Zuweilen blätterte er in Schriften, zuweilen trat er zu dem neuen Sekretair, um Bemerkungen mit ihm zu wechseln. Er wartete auf eine Audienz und hatte schon lange gewartet, der Minister war in den oberen Zimmern mit dem jungen Bovillard. Walter war bei einer Arbeit, aber er ließ oft selbst die Feder ruhen, und das gelegentliche Gespräch mit dem Rathe schien ihm keine unangenehme Unterbrechung.
    »Sie haben sich da einen gefährlichen Rivalen zugeführt,« sagte der Rath. » Sie beschäftigt er mit Berichten über sein Papiergeld und Herrn von Bovillard schließt er in seinen Intimis das Herz auf.«
    »Das war die ihm zugedachte Stellung,« entgegnete Walter, die Feder weglegend, und stand auf. »Wir sind Jugendfreunde, die Verhältnisse haben darin nichts geändert, und wenn sie es hätten, was kommt es jetzt darauf an, wo der Beste ist – der handeln kann.«
    »Wer handeln kann!« rief Fuchsius mit einem wehmüthigen Lächeln. »Welche bittere Erfahrungen stehen Ihnen hier

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