Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
liebste Baronin, was müssen Sie für eine Freude haben, einen solchen Engel zu bemuttern! Aber sie ist auch der besten Obhut anvertraut.« – Damen und Herren ließen sich Adelheid vorstellen. Ihre Antworten entzückten. – Da, um das Glück vollständig zu machen, hatte sich auch der König ihr genähert. Auch er sprach gnädig; freundlich sah er zum schönen Mädchen nieder, man hörte durch das Geräusch huldvolle Worte; viel von gehört haben – sehr freuen – einen braven Vater haben. – Auch die jüngeren Prinzen waren herangetreten, der König scherzte mit ihnen. Ein Scherz von den gewichtigsten Folgen. Bald durchflog die Säle die Neuigkeit: die Prinzen tanzen mit der Alltag.
Sie war der Stern des Abends. Sie blieb der Gegenstand des Gespräches in den Equipagen, die nach Hause rollten. Ueber ihre Schönheit war nur eine Stimme. Nur etwas zu ernst! Aber die Holdseligkeit der Königin hatte ihr auch davon angehaucht. Welche naive, frappante Antworten sie gegeben! Wie hatte sie den jungen Prinzen August auf eine etwas kecke Frage anlaufen lassen! Aber wie hatte der ältere Bruder, Prinz Louis, sich benommen? – Eine solche spirituelle Schönheit musste doch auf den galantesten Ritter wirken. – Er war an ihr vorübergegangen. – Unmöglich! hieß es; aber Viele versicherten es. Der unglückliche Prinz sieht jetzt nur Gespenster! Die Aussicht auf den Krieg schüttelt in ihm wie ein kaltes Fieber. – Aber nein, er war zurückgekehrt, er hatte mit ihr Worte gewechselt. Es klang unglaublich, was der Lauscher gehört. Er hatte sie wehmüthig angeblickt, wie Hamlet Ophelien: »Was wollen Sie in dieser Atmosphäre? Die ist nur für kranke Seelen.« – Und sie, was hatte sie geantwortet? »Gnädigster Herr, ich meinte, wer gesund ist, bringe Lebensluft in jede Atmosphäre mit.« – Unbegreiflich fanden es Viele – ein simples Bürgermädchen, die Tochter von dem alten Geheimrath Alltag! Er wird wohl nun geadelt werden, meinten Einige. Andere schüttelten schlau den Kopf: Wer weiß denn, ob er ihr Vater ist! Eine Dame fand in Adelheids Gesicht Züge, die an den vorigen König erinnerten.
Drei Tage lang sprach man am Hofe, sieben in der Stadt, nur von der schönen Adelheid. Dann waren andere Gegenstände gekommen. Die Königin hatte sie nicht rufen lassen, die Königin hatte an Anderes zu denken. Die Fürstin mochte auch an Anderes denken, sie sagte nichts, aber wenn sie Adelheid sah, schien ihr lächelnder Blick zu sprechen: wenn eine Königin vergaß, uns rufen zu lassen, so wäre es an uns, sie anzurufen, damit sie sich unserer wieder erinnere. Zur Diplomatin ist sie nicht geboren.
Der Minister mochte das und seine letzte Bemerkung längst vergessen haben, indem er mit der Schrift sich auf das Kanapé geworfen und mit dem Daumennagel Zeichen am Rande machte, als er auch das Papier sinken ließ.
»Lesen Sie!« sprach er.
Walter nahm das Papier, welches Jener auf das Kanapé fallen lassen. Der Minister schüttelte mit dem Kopf.
»Zuvor die Hauptpassus, die wir aus dem vorigen Memorial heraushoben. Man muß sich diese erst vergegenwärtigen. Es wird nicht mehr Alles für heute passen.«
Walter griff nach einem andern Heft und las: ›Bedrohte Selbstständigkeit – Unwille der Nation über den Verlust ihres alten, wohlerworbenen Ruhmes.‹ Der Minister schüttelte den Kopf: »Dies bleibt nun weg. Wüster Lärm genug.« Walter las weiter: ›Affiliirung der Kabinetsregierung mit Haugwitz. An den Ministern haftet die Verantwortlichkeit für das, was sie nicht beschlossen, vor dem Publikum.‹ »Oeffentliche Meinung!« korrigirte der Minister. »Weiter.« ›Man schämt sich einer Stelle, deren Schatten man nur besitzt.‹ »Habe ich das im April geschrieben?« seine Lippen warfen sich zu einem höhnischen Lächeln. – »Illusionen! Wenn sich Einige geschämt haben, jetzt haben sie sich anders besonnen. Das bleibt weg.« Walter fuhr fort: ›Das Ehrgefühl der Beamten wird unter einer solchen Regierung unterdrückt, ihr Pflichtgefühl abgestumpft. – Subalterne gehorchen nur noch halb, sie suchen ihr Heil bei den Götzen des Tages.‹ »Das bleibt. Das hat gewirkt, es kann noch wirken. Für die Reputation ihres Beamtenheeres haben sie noch einiges Tendre. Weiter!« ›Der Monarch lebt in völliger Abgeschiedenheit von seinen Ministern. Von Allem, was geschieht, erhält er nur einseitige Eindrücke durch das Organ seiner Kabinetsräthe.‹ »Sie halten inne. Haben Sie da Bedenken?« – »Könnten wir
Weitere Kostenlose Bücher