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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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einen Federbusch sieht, weil die Mama ihm gesagt, es soll sich davor in Acht nehmen, wie vor einem Raubthiere. Denn das sind unsere jungen Offiziere, wenn's auch nicht mehr dieselben, doch nicht. Ich sag's grad heraus, Ihr Herren von der Feder und die anderen, Ihr habt sie verderben helfen. Warum macht Ihr ihnen überall Platz und weicht vor ihnen zurück, wo Ihr's nicht nöthig hattet. Ist's nicht eine Schande, wenn ein alter Kriegsrath oder ein ehrenwerther Kaufmann mit grauem Haar vor einem Lieutenant oder gar einem Fähnrich ausweicht? Wo steht's denn geschrieben, daß es so sein soll? Wenn Ihr ihnen nicht immer das Feld ließet, und das Maul schlösset, sondern grab 'raus den jungen Herrchen die Wahrheit sagtet, nun je Einer oder der andere würde ein Mal anlaufen, aber im Ganzen würde es anders, wenn sie wüssten, daß sie unter den Civilisten auch ihren Mann fänden. Darum dominiren jetzt die Uniformen, wo sie mit den Fracks zusammen kommen, und die trennen sich immer mehr, die doch bestimmt sind, zusammen zu halten als Brüder und Glieder eines Volkes.«
    »Es ist seltsam, einen alten Offizier so reden zu hören.«
    »Es war nicht alles gut unter dem großen König, aber es war anders. Sein Auge war ein Etwas, was das träge Blut in Bewegung brachte. Es war überall, wenn er auch nicht zugegen war. Man stellte sich vor, wenn man etwas that oder unterließ, daß der König es gesehen haben könnte, man fragte sich, was er wohl dazu gesagt, wie er geurtheilt hätte, und das gab eine Disziplin, die kein Kommando macht. Er war ungerecht. O ja, er ist es oft gewesen. Aber wer von ihm litt, der setzte einen Stolz darin, daß er litt; er dachte sich, eigentlich weiß es wohl Friedrich jetzt, daß er dir unrecht gethan, aber er kann's oder mag's nicht ändern, um der Autorität willen, oder aus Eigensinn. Das Gefühl that dann wohl, wie das
pour le mérite
-Kreuz auf der Brust. Man litt um seinen König und durch seinen König, und der König weiß es auch, und trägt vielleicht noch schwerer daran.«
    »Den Orden trägst Du auch.«
    »Den, daß ich ein Bürgerlicher war. Ein Leiden lässt sich schon tragen, was viele Hunderte mit uns tragen.«
    »Bei Torgau war es ja wohl!«
    »Da fiel der Major, der mein Regiment kommandirte, und schon der dritte, der mir vorgezogen war. Fiel auf den ersten Schuß. Ich kommandirte, es war nun mal kein Anderer da, und nahm das Fichtenwäldchen. Die Herren gratulirten mir schon: diesmal komme ich doch nicht zu früh, Herr Major? sagte der alte Ziethen, der an mir vorüber ritt. Kam doch zu früh. Der junge Kapitän – was soll ich in meinem Groll einen Ehrenmann nennen! – der noch Page beim König war kurz vor Ausbruch des Krieges, ward Major auf dem Schlachtfeld, und erhielt nachher als Obrist das Regiment, hatte es gewiß verdient, und was konnte er dafür, daß die Uebermacht auf ihn fiel und ihn aus der Schanze trieb. Friedrich wusste es, hatte ihn vom Pferde stürzen sehen, überreiten und wieder aufsitzen; so war er blutend und zu den Seinen zurückgekehrt.«
    »Jedermann giebt Dir das Zeugniß, daß Du es auch verdient hattest, Rittgarten. Ich habe viele brave Offiziere gesprochen.«
    »Wer sagt denn, daß es Friedrich nicht auch dachte. Aber er hatte mich zwei Mal übergangen. Wenn er es nun zum dritten Mal anders machte, strafte er sich ja selbst. So wird der König gedacht haben, und darum avancirte ich nicht auf dem Schlachtfeld und erhielt nicht das Regiment. Er ließ mich nachmalen fragen, ob ich nicht ein paar Freibataillons kommandiren wolle, die sich damals über der Elbe bildeten; und hatte wohl die Absicht, daß ich dann avanciren sollte. Ich ließ gehorsamst mich bedanken für die gnädige Attention, mein ganzes Leben aber wäre regulär gewesen, und so möcht' ich's auch gern zu Ende bringen. Da hat Friedrich gelacht, ich weiß es, und hat gesagt! ›Der ist ein Starrkopf, so soll er's haben!‹ – Siehst Du, das war so viel für mich als ein Orden! – Nachher hat er mich wohl vergessen. Aber ich habe noch einen Orden von ihm.«
    »Du!«
    »Es war sein Sterbejahr. Mir ahnte es. Da hatte ich keine Ruhe mehr. Wenn ich ihn noch einmal sehen könnte! Hatte längst meinen Abschied, wie Du weißt. Jetzt war ich Major, ein Invalidenmajor. Reiste nach Potsdam und ging nach Sanssouci hinaus. Das Glück wollte mir wohl. Ein alter Kammerdiener, den ich kannte, ließ mich auf die Terasse. Es war ein sonniger, schöner Nachmittag, wie heut; nur noch schöner, es spielte

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