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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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das Gold der Mittagssonne im Laube. Eine schwarze Wolke fuhr gerade über den Horizont. Es war sehr heiß, der helle Schweiß perlte ihm auf der Stirn. Indem er ihn abtrocknete, verweilte er an den Augen. Er mußte auch da etwas zu trocknen haben.
    »Du helle Sonne, die Du auf ihn schienst, den Einzigen, Herr Gott, wenn Du untergesunken wärst mit dem Licht seiner Augen, und es wäre wirklich Nacht geworden. –«
    Er sprach's mit feierlicher, aber zitternder Stimme; es war nicht, was er sprechen wollte. Darum hielt er wohl inne, das Glas in seiner Hand zitterte. Der Kriegsrath sah ihn ängstlich an, die Kriegsräthin nach der Flasche, ob er zu viel getrunken.
    Da schmetterte heiter und lustig das Reiterlied aus dem Kruge. Er fuhr fort:
    »Nein – nein – es wird wieder Tag werden. Das alles kann nicht untergegangen sein – es kann nicht, es kann nicht. Es schläft nur eine Weile. Und wir werden aufwachen, und andere Augen werden strahlen. Unser junger, lieber, bürgerfreundlicher König, meine Freunde, daß die Sonne Preußens vor ihm aufgehe, daß sein Auge hell aufgehe, das Gute vom Bösen zu unterscheiden, daß sein Sinn sich kräftige und stählern werde gegen die Rathschläge der Weichherzigen, der Schmeichler und Bösen, unser guter junger König soll leben hoch in aller Preußen Herzen.«
    Man stieß an, und die Gläser klangen auch ziemlich hell, aber die innere Bewegung des Invaliden hatte sich den Andern mitgetheilt, es war kein fröhlicher Gläserklang, wo man den Becher mit vollem Herzen anstößt. Auch ward es laut im Dorfe; eine spanische Reitermusik mischte schon ihre bizarren Töne mit den schmetternd kecken des Dessauer Marsches. So ward eine kleine Disharmonie.
    Der Major nahm kurz mit einem Händedruck Abschied, die Bäuerin deckte rasch den Tisch ab. Es konnte ein Gewitter kommen, und es war eine Reiterbande im Dorf. Man musste sich vorsehen.
    Im Staube sah man auch schon eine bunte Fahne schwingen, und ein Reiter im sogenannten spanischen Kostüm ritt mit einem Trompeter durch das Dorf, in gebrochenem Deutsch zu einem nie gesehenen Schauspiel, expreß zu Ehren Sr. Majestät des Königs einladend, und umwogt von einer zahllosen Menge großer und kleiner Zuschauer trottete ein Kameel heran, einen Affen mit rother Jacke auf dem Sattel, und ein Bär in Ketten marschirte hinterher, zum unendlichen Jubel der Jugend, dann und wann sich aufrichtend und im Kreise sich wirbelnd.
     
Elftes Kapitel.
     
Die Frau Obristin.
    »Herr Gott, wo sind die Kinder!«
    Kaum aber war der Angstruf heraus, als die Verschwundenen schon unter den Bäumen zum Vorschein kamen; doch nicht allein. Eine fremde Dame führte Clara an der Hand, zwei junge Mädchen die andern beiden Kinder dem Tische der Familie zu.
    »Da sind gewiß die lieben Eltern,« rief schon von fern eine Dame halb im Reisekleide, aber doch in einer sehr geschmackvollen Toilette. »Entschuldigen Sie nur, meine Herrschaften, daß ich mich so unangemeldet eindränge. Aber die englischen Kleinen gingen mir ans Herz, und ich weiß, was ein Mutterherz leidet, wenn es in Angst ist um seine Kinder. Da, liebe Kleinen, sind Eure Eltern. Habt sie nun auch recht lieb, und lauft ihnen nie mehr fort.«
    »Mein Gott, was ist es!« rief die Kriegsräthin.
    Die fremde Dame gab eine Erklärung, die wir kurz zusammenfassen. Sie war von einer Reise mit ihren Nichten zurückgekehrt und hatte am Eingange des Dorfes die ihr schon sonst bekannte Reiterbande getroffen. Um nicht mit solchen Menschen zusammen zu kommen und auch des gräßlichen Staubes wegen, war sie ausgestiegen und auf einem Fußwege durch die Felder ins Dorf gegangen, aber sie traf doch wieder auf der Dorfstraße die Gesellschaft und hatte mitten im Gedränge der Zuschauer die allerliebsten Kinder, die offenbar von guten Eltern waren, bemerkt. Da war es ihr wie durch's Herz geschossen, daß die Kleinen sich verlieren und den Reitern nachlaufen könnten, und einer der Reiter hatte die Clara gefragt, ob sie zu ihm auf's Pferd wollte, und da hätte sie es für Gewissenspflicht gehalten, das Kind an sich zu reißen und die anderen auch, um sie nach ihren Eltern zu fragen, und da sie's erfahren, hätte sie dem lieben Gott gedankt, daß sie noch zu rechter Zeit hinzugekommen, um die Kinder vor der Gefahr zu retten und ihren lieben Angehörigen zuzuführen.
    Die Kleinen aber schienen anderer Ansicht. Der jüngste Knabe namentlich zankte mit dem hübschen jungen Mädchen, welches ihn an der Hand noch immer festhielt

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