Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
so was wie Duft in den Orangenbäumen, die Sperlinge zwitscherten. Der König saß an der offenen Glasthür in seinem Lehnstuhl, den Pelz übergedeckt. Sie wollten ihn zum letzten Mal die Luft dieser Erde recht frisch kosten lassen. Vor sich sah er nun, was er geschaffen hatte, und darüber hinaus den blauen Himmel, den der liebe Gott geschaffen hat. Die Kieferwälder in der Ferne bewegten sich. Mir war's, als hätte ich beten mögen. Und ich muß auch wohl die Hände gefaltet haben. Wollte stehen bleiben da in dem Winkel, wo die Hunde begraben liegen. Da klopfte der Wachthabende, der's mir wohl ansah an dem blauen Ueberrock, daß ich auch Soldat gewesen – oder hatte es ihm der Kammerdiener gesagt? – er klopfte mir leis auf die Schulter: ›Gehen Sie nur immer vor, und sehen sich Ihren König noch einmal au, er schläft fest. Wer weiß, ob er wieder erwacht.‹ Er stieß mich sanft vor. – Das war ein eigen Gefühl. Mir klopfte das Herz, wie da ich zum ersten Mal ins Feuer kam; aber zugleich war mir so ruhig, so sonntäglich zu Muth. – Nun stand ich vor ihm, nicht zehn Schritt entfernt, die Sonne wollte hinter die Bäume sinken. Gott weiß, was ich dachte! Einmal war's mir, als würde er, wenn sie sinke, auch die Augen schließen, und dann würde es Nacht werden, und Alles, was er geschaffen, mit ihm untersinken. – Und das Gesicht des Schlafenden! – Was lag darin! Herr du mein Gott, was konnte Einer darin lesen! Die Lippen bewegten sich ganz leise, als spräche er im Traume. Nun schlug er plötzlich das große Auge auf. Er sah mich. Ich stand wie eingewurzelt, den Hut presste ich in der Hand, und hätte mögen in die Erde versinken. Da öffnete er die Lippen: ›Ihn kenne ich auch – bei Torgau – vergeß er mich nicht‹ Sah mich wohl, wie auch im Traum, der vor ihm gaukelte, denn er schloß sie wieder. Nur die Finger machten eine leise Bewegung. War's ein Wink für mich, oder was war es? Da hub das Glockenspiel in Potsdam an, die Sonne war hinter die Bäume gesunken, der Schatten fiel auf den großen König, und ich weiß nicht mehr, wie ich fortkam.«
Der alte Major hatte etwas mit dem Finger am Auge zu thun; der Kriegsrath ebenfalls. Es entstand eine Pause. Auch schienen ihre Pfeifen in Unordnung gerathen, denn beide Herren zogen sehr eifrig, und benutzten den Rest der Pause dazu, dicke Wolken in die Luft zu blasen. Und dann war alles wieder in Ordnung.
»Einem außerordentlichen Manne muß man schon Manches nachsehen,« hub der Major an, »was man einem gewöhnlichen Menschen nicht verziehe. Dafür ist er ein großer Mann. Und wenn Friedrich heut lebte, so würde er wohl anders urtheilen, und nicht noch weinen, daß ein Bürgerlicher nur unter den Husaren gut ist, nur unter der Artillerie zum Offizier taugt. – Und daß er dem jungen Herrn, der sein Page gewesen, mein Regiment gab, daran hat er ganz recht gethan, oder meinst Du anders? Ist er nicht ein General geworden, der dem Staat Ehre gebracht hat? Warum ward der Bonaparte ein großer Feldherr, warum hat er um sich eine Schule guter Generale? Weil er's mit der Anciennität nicht genau nimmt, weil er die Tüchtigen sich herausgreift, wo er sie findet, weil er auf dem Schlachtfelde avanciren lässt, wie's ihm grade zu Muth ist. Da ist Salz, da ist Blut im Heere, er fragt nicht nach Glauben und Herkommen und alten Ansprüchen. Jeder hat Aussicht, daß er's bis zum General bringt, und noch weiter, wenn er seine Schuldigkeit thut, oder noch mehr. Wenn das nicht gute Soldaten machen muß! Fort mit den Steifen und Alten, in die Magazine und in den Train; vorwärts mit den Jungen!«
Der Kriegsrath sah ihn verwundert an: »Damit tadelst Du ja Friedrich; er that es nicht.«
»Der alte Fritz wusste, was sich schickte und was er brauchte. Er hatte es mit einem Daun zu thun, und seine Ziethen und Seidlitze wusste er wohl zu brauchen, wo andere Feinde sich zeigten. Und wie ich Dir sagte, es war sein Auge, seine Presence, die das Blut wieder umrührte, wo es stockig ward. Seitdem ist's schrecklich stockig geworden, sonst wären wir nicht im Lehm festgeklebt in der Champagne, und seit dem Baseler Frieden ist's noch ärger.«
Der alte Major wollte noch mehr sagen, aber er that's nicht mit Worten, er klopfte mit dem Meerschaumkopf so stark gegen seinen hohen Stiefel, daß die Pfeife ausging. Es war auch nicht mehr Zeit zum Rauchen und zur Konversation, die Magd trug, begleitet von den jubelnden Kleinen, die rauchende Schüssel Milchreis auf den Tisch. Clara
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