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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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sprach das Gebet, und die Mutter streute einen Staubregen von Zimmt und Zucker über die Schüssel. Ein Ah! der Verwunderung und Freude ging durch den Kreis der Kleinen: »Das ist ein Sonntag! Das ist Festtag!« Sie blickten den Major verwundert an, nicht einmal Milchreis mit Zucker und Zimmt wollte er genießen!
    Als die Bauerfrau mit beiden Armen einen Napf mit dampfenden Kartoffeln in der Schaale auf den Tisch trug, die, aufgesprungen, ihre würzige weiße Fülle entfalteten, ward das Ah! noch lauter. Aber wie erschrocken blickten sie auf den Vater, als dieser plötzlich die Hand auf die Schüssel legte: »Halt, Kinder! Ist es denn schon polizeilich erlaubt? Mich dünkt, das ist erst vom fünfzehnten August ab.«
    Die Bäuerin gab die Versicherung, sie dürften jetzt schon vom ersten August ab frische Kartoffeln zu Markte bringen, und sie meinte, es werde künftig noch früher erlaubt werden, weil die Kultur fortschreite.
    »Dann schreiten wir doch in einem Ding fort!« sagte lächelnd der Major. »Hab's mir auch so gedacht, wenn ich bedenke, wie sie jetzt die Kriege führen. Ach, die Küchenwagen, die wir mitschleppen mussten, und die Magazine, die der große Friedrich anlegte! Das kostete ein Heidengeld, und ein Fuhrwesen! Der Bonaparte bestellt seine Magazine in Feindes Land, ohne daß es ihm einen Groschen kostet, und eher fängt er den Krieg nicht an, als bis sie fertig sind.«
    »Wie meinst Du das?«
    »Er lässt nicht früher ausmarschiren, als bis die Kartoffeln reif werden. Da finden seine Soldaten ihre Magazine überall auf dem Felde. Aber sie buddeln und kochen sie auch im Juli, ja, wenn sie Hunger haben, schon im Juni. Kriegsrath! nicht wahr, das ist abscheulich, so gegen die Polizeiordnung zu handeln, wenn man hungert.«
    »Ich finde es nur einem guten Patrioten kontrair, Herr Obristwachtmeister, wenn man immer den Feind im Munde hat und ihn lobt.«
    »Was, Feind! Kriegsrath! Er ist unser Alliirter, bedenke das Landrecht, da steht was von Landesverrath drin, wenn man gegen alliirte Mächte raisonnirt. Und ein wie großmüthiger Alliirter! Fordert nichts von uns, sie sagen, er schickt sogar recht viel ins Land. Und rings um uns her stäubt er und fegt, und macht uns los von anderen lästigen Alliancen, bis wir mutterseelenallein auf der Welt dastehen. Da wird er uns dann aus Herz fallen und drücken: Du liebes Preußen, nun hindert mich nichts mehr Dir zu sagen, wie ich Dich so recht herzinnig und ganz besonders geliebt habe!«
    Der Frau Kriegsräthin ward bange bei dem Gespräch. Sie verstand es nicht, aber der Instinkt sagte ihr, es sei anders gemeint, als gesprochen, und sie sah eine häßliche Falte auf der Stirn ihres Mannes. Da sah sie auch plötzlich die Bienen, die sie übrigens viel früher hätte sehen können, denn sie summten unverschämt um Gläser und Teller: »Jemine, Herr Obristwachtmeister, da ist sie in Ihrem Glase. Schütten Sie aus, das ganze Glas – frisch zu – Sie müssen mit reinem Wein des Königs Gesundheit trinken.«
    »Der schöne alte Franzwein!« sagte der Major, als er das Gläschen auf die Erde tröpfeln ließ. »Der gährte gewiß schon im Faß, als ich bei Roßbach die Schärpe verdiente.« Er hielt plötzlich inne, als er die Wespe mit dem Finger hinausgeworfen. »Alter Freund! ein frisch Glas auf den jungen König, aber jetzt stoß an mit dem Restchen: daß Preußen noch einmal ein Roßbach erlebt!«
    Es war die Versöhnung. Der Kriegsrath verstand es, er fuhr aber so heftig gegen das Glas des Majors, daß es einen Sprung bekam: »Thut nichts! Ein neues Roßbach, wenn ich's auch nicht erlebe.«
    Um nicht aus einem gesprungenen Glase des Königs Gesundheit zu trinken, musste ein neues herbeigeschafft werden. Dazu kamen andere Unterbrechungen. Die Jette trug lachend eine verhüllte Schüssel auf. Die Mutter hob das Tuch, und als die Kirschkuchen sichtbar wurden, war die Ordnung am Tische nicht mehr zu erhalten. »Gieb ihnen die Kuchen und laß sie laufen,« sagte der Vater, »sie haben doch keine Geduld mehr, und stören uns nur.« Dazu erschallte Trompeten- und Paukenmusik von einem Dorfende. Es war lebhafter im Dorfe geworden, Equipagen fuhren vor, aus der Schenke tönte militärische Musik!
    »Mein alter Dessauer!« sagte der Major. »Verzeihung, meine Freunde, wenn ich da zu meinen alten Kameraden muß.«
    »Aber vorerst das Glas auf den König, Alter.«
    Der Major erhob sich. Er sammelte sich zu einem Spruch, indem er in die Wipfel sah. Es strahlte nicht mehr

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