Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
Vom Netzwerk:
die schöne Thräne nicht, wenn er auch alle seine unbedeutenden Personen bei jeder Gelegenheit gerührt sein und weinen lässt, um Kleines und Geringfügiges, und wenn er dann die Thräne so schön ausmalt, daß die armen Leser mitweinen müssen! Sie wissen am Ende nicht recht, warum, aber er erhält die weinerliche Stimmung, weil er darauf rechnet, daß wir Alle schwach sind und es uns am Ende an ihn fesselt. So kommt mir Lafontaine vor, erlauchte Frau, er weiß, wo wir Alle schwach sind, und da versucht er uns zu streicheln, er drückt wehmüthig die Hand, schlägt verführerische Akkorde an, bis wir fortgerissen sind, und wenn wir wieder zu uns kommen, schämen wir uns darüber, denn er hat uns weich gemacht, wo wir stark sein sollten, und wo haben wir dann noch Gefühl, Stimmung, die unentweihte Thräne für das große Schicksal wirklicher großer Menschen«
    Die Königin hatte mit Aufmerksamkeit zugehört. Von Spöttern waren ihr ähnliche Urtheile über ihren frühern Lieblingsdichter schon zugedrungen. Dieser Ton war anders. Sie stimmte nicht bei, sie widersprach nicht, sie schien die Sache zur weitern Ueberlegung zurückzulegen, als sie sich seitwärts wandte.
    »Dann ist wohl Jean Paul Ihr Dichter? Dieser Liebling der Museu erhebt uns in die Höhen, wo unsre Adelheid sich wohl befindet. Ich liebe ihn auch, aber mir schwindelt zuweilen in seinen lichten Räumen, mitten in meiner Begeisterung und Bewunderung für ihn fühle ich mich beklommen. Daß ich es gerade heraussage, die Luft dieser erhabenen Wesen ist mir zu rein, meine Neigungen sind doch noch zu irdisch, ich fühle daß ich unter diesen Natalien und Lianen eine schlechte Rolle spielen würde. Es ist vielleicht die Eitelkeit« – setzte sie lächelnd hinzu – »die Königin möchte nicht gern die Magd spielen in der überirdischen Gesellschaft des edlen Dichters.«
    »Ihre Majestät verzeihen, wenn ein schlichtes Bürgermädchen diesen Stolz auch empfindet. Jean Pauls Frauen kommen mir oft vor wie aus Mondenschein und Sonnenstrahlen gewebt. Wenn man sich an sie hielte, zerflössen sie –«
    »Das dürfen Sie in Berlin nicht laut aussprechen, sonst verketzern sie uns,« fiel die Fürstin noch im selben Ton ein. – »Nein, alle Admiration dem herrlichen Manne, aber Sie haben wohl Recht, unsere Zeit fordert Männer, auch Frauen, welche den Dingen und Verhältnissen ins Gesicht zu sehen verstehen, und vor einer rauhen Berührung nicht zurückschrecken. Sie fordert, daß wir unsere Empfindungen beherrschen. Es ist schwer, mein liebes Kind, schwer für einen Jeden, die schlechten Menschen nicht merken zu lassen, daß man sie hasst, verachtet, was mehr für uns Fürsten! Das ist unsere gepriesene hohe Freiheit, wir müssen sogar freundlich scheinen gegen unsere Feinde, denen die Hand drücken, von denen wir wissen, daß sie in der Tasche den Dolch gegen uns versteckt halten. Das kostet etwas – eine Resignation, die oft unsere schwache Kraft übersteigt. – Wir träumen zu viel von dem Guten und Bessern. Das ist schön, aber wir dürfen nicht mehr träumen, wir Alle nicht. Jede muß ihre ganze Kraft anrufen, um gerüstet dem gegenüber zu stehen, was Gott zu unserer Prüfung schickt. Wir müssen uns bezwingen, entsagen zu können, auch dem, was uns das Theuerste, Liebste ist!«
    Der Ton ihrer Sprache hatte sich mit ihrer Stimmung plötzlich verwandelt. Es war auch um sie her anders geworden; die Sonne war hinter heraufziehende Wolken getreten, die Vorläufer des Windes hatten schon länger die gelben Blätter über die Füße der beiden Frauen getrieben, jetzt fing er an in den Büschen das Gezweig zu rütteln, in raschen Stößen rüttelte er von den entfernten Baumwipfeln das Laub. Die laue Luft hatte, wie auf einen Zauberhauch, einer empfindlichen, scharfen Kälte Platz gemacht, daß die Damen die Tücher enger um den Hals zogen.
    »Sie müssen Alle entsagen,« sprach die Königin feierlich, »auch Sie, Adelheid werden die Kraft haben. Ich habe das schöne Vertrauen, nachdem ich Ihre schöne Seele kennen gelernt.«
    Da war auch ein schöner Vorhang plötzlich gefallen, ein Vorhang gewebt aus Sonnenstäubchen, die in anmuthigem Spiel hin und her geschaukelt, und die bleierne graue Wahrheit lag vor ihnen, das, warum die Fürstin Adelheid zu sich beschieden; auch das blickte schon verrätherisch hervor, warum Adelheid gekommen war.
    Es giebt im Seelenleben Augenblicke, wo der Klügste sich keine Rechenschaft zu geben weiß, woher ein Gedanke

Weitere Kostenlose Bücher