Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
Vom Netzwerk:
– »Ihre Majestät, ich meine, es giebt Rücksichten und Pflichten in jedem Lebenskreise.« – »Ganz gewiß, aber es ist leichter, in den Hütten ein stilles Glück sich zu bereiten und doch keine Pflicht zu vergessen, als wenn unsre Wiege dem Throne nahe stand.«
    Die Fürstin sprach es mit dem bewegt feierlichen Tone, der keinen Widerspruch zulässt. Ihr Auge sah dabei wie verklärt in die Ferne. Wo ihre Gedanken waren, ließ sie die Zuhörerin nicht lange errathen: »Auch ich habe einen Blick in dieses Glück gethan. Es waren die schönsten, glänzendsten Stunden meines Lebens. Damals, liebes Kind, hielt ich es auch für das höchste Glück, was das höchste Wesen unterm Sternenzelt einer Sterblichen gewähren könne, Königin zu sein über ein glückliches Volk.«
    Die Gedanken der Königin verfolgten die berühmte Huldigungsreise, welche sie nach der Thronbesteigung Friedrich Wilhelms III. mit ihrem Gemahl gemacht. Luise letzte sich an der Erinnerung. Sie malte einzelne jener schönen Züge, von denen uns die Zeitgenossen berichten. Die Erscheinung des Königs und der Königin, einer jungen, von Liebreiz und Güte umflossenen, in Provinzen, wo auch die ältesten Greise sich nicht erinnern können, je eine Königin gesehen zu haben, glich der Erscheinung von Schutzgöttern des Vaterlandes, von erhabenen Genien der Gerechtigkeit und Milde, die überall wo sie sich zeigen, unüberwindliche Eroberer, jedes Herz gewinnen. Eine Reise war es gewesen fortwährender Triumphe, nein, eine ununterbrochene Reihe von Familienfesten. Da brannte die Sonne herab, daß man die Augen nicht aufthun konnte, und doch wich Keiner vom Platze, bis er seine Königin mit Augen gesehen. Da waren neunzehn weißgekleidete Mädchen an ihren Wagen gesprungen. Eines hatte der Königin zugeflüstert: Wir sind eigentlich zwanzig, aber die Eine ist nach Haus geschickt. Warum denn, liebes Kind? – Weil sie so hässlich ausgesehen. Da hatte Luise nach der armen Hässlichen geschickt und sprach am längsten und freundlichsten mit ihr. – Und jener alte Bauer, der sie so gern sehen wollen, und immer wieder von den Andern und den Gensd'armen zurückgedrängt war, die Königin hatte ihn wohl gesehen und heranrufen lassen, und noch sah sie ihn, wie der Greis sein Haupt entblößte und stumm, aber unverwandten Blickes, die Landesmutter anschaute. In dessen Herzen, wusste sie, lebte ihr Bild ewig fort! Und wie in einem andern Dorfe in Pommern die Bauernschaft den Wagen umringt hatte, und die Bauern in ihrem Plattdeutsch durchaus darauf bestanden, daß sie aussteigen müsse und sich »traktiren« lasse, damit die Städter nicht dächten, sie hätten das Vorrecht allein. Und die Königin war lächelnd ausgestiegen und in das Bauernhaus getreten, und hatte von dem großen ihr aufgetragenen Eierkuchen ein Stück gegessen, und versichert, daß er sehr schmackhaft sei. Und wie der König im Zelt an der Weichsel wo er als Gast der Elbinger tafelte, zu dem Landmann, der mit einer Bittschrift sich auf die Knie geworfen, in edlem Unwillen gerufen; »Nur vor Gott knien! Ein Mensch muß nicht vor einem andern Menschen knien!«
    »Da habe ich Blicke gethan auf den Herd meines Volkes,« schloß die Königin, »und weiß, wo die Zufriedenheit und Seelenruhe wohnt. – Sie frösteln, liebes Kind, Sie schaudern sogar –« »Ach, Ihre Majestät, es waren Gedanken –« Die Fürstin hatte sie gelesen: »Freilich weiß ich, nicht überall stehen Hütten von Philemon und Baucis, aber die Immoralität hat da keinen dauernden Wohnsitz, wo bewährte Tugenden, Patriotismus und Menschenliebe die Seelen umschlingen. Wenn wir wieder Ruhe und Frieden nach Außen haben, dann hoffe ich, soll es in den höheren – Gott gebe auch in den höchsten Kreisen besser werden. Aber Sie, liebes Mädchen, können doch nicht klagen, Ihr guter Genius führte Sie nur unter edle Menschen –«
    »Erlauchte Frau! ich meine, die Menschen sind in allen Kreisen Menschen, und verzeihe mir der Allgütige, wenn es Sünde ist, sie kommen mir oft wie ein Knäuel von Schlangen vor. Wenn Eine mich recht liebevoll anblickt, denke ich an den Tiger, der den Kopf auf die Krallen drückt, zum Satz auf sein Opfer.« – »Was sind das für Phantasieen!« – »Ich weiß es nicht. Aber ich sehe überall Larven und dahinter Verbrecher.« – »Calmiren Sie sich.« – »Es ist nun einmal mein Schicksal, ich ward von ihm herumgeschleudert, ich bin keine, ich will keine Clairvoyante sein, aber wie Vieles musste ich

Weitere Kostenlose Bücher