Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
unschuldig als Sie, mag er auf seinem Gewissen haben! Danach fragt die Welt freilich nicht, und die vornehmen jungen Wüstlinge machen sich daraus kein Gewissen. Aber Sie beobachten doch wenigstens den äußeren Anstand. Was man vom jungen Bovillard erzählt, o mich schaudert, ihn an Ihrer Seite zu sehen!« – »Ist er darum schlechter, weil er keinen Schleier um seine wüste Jugend gebreitet! Mich schaudert vor Denen, die die Welt lobt, weil die Welt nur das feine Kleid und die feine Miene sieht, hinter denen ihr verwüsteter Geist sich verbirgt.« – – »Man spricht ihm kein langes Leben zu, die Frucht seiner Ausgelassenheit.« – »Rechnet die Liebe nach Jahren?« – »Doch soll die Ehe ein Bund der Seelen, eine Harmonie gleichgestimmter Geister sein.« – »Ist sie's denn immer?« – »Aber der Mann muß wenigstens die Gefühle einer edlen Frau zu würdigen wissen, wenn er auch dem kühnern Schwunge ihres Geistes nicht folgt.«
Adelheid lächelte; »Sein Geist , gnädige Frau – O könnte ich Ihnen diesen edlen Geist malen, der rein blieb wie der Aether über dem aufgewühlten Schlamm, könnte ich Ihnen sein Herz öffnen, wie es mächtig pulst, für die Leiden, die Ehre des Vaterlandes, wie nur die Schmach, die er ansehen musste, Gift in die Adern spritzte –« »Lassen wir die Poesie, liebes Mädchen, es handelt sich von ernsten Dingen. Ich will Ihnen glauben, daß ein besserer Keim in ihm ist, daß große Talente in ihm schlummerten, daß Charakterstärke ihm von Gott gegeben war, ich will zu Ihrem Besten Alles zu seinen Gunsten glauben, aber warum gab er sich keiner geordneten Thätigkeit hin, warum zersplitterte er und vergeudete er diese Gaben. Bei seiner Geburt, dem Einfluß seines Vaters wäre ihm ein Wirkungskreis leicht geworden.«
Adelheid sah die Königin mit einem eigenthümlichen Blicke an, es lag Frage, Bitte, ein Forschen darin. »Darf ich?« Sie hielt die Hände auf der Brust. Der Augenschlag der Königin winkte Gewährung. »Ich kenne Jemand, den die Geburt hoch gestellt, höher steht nur Einer. Sein Herz schlägt für das Vaterland, sein Blut glüht für seine Ehre. Mit dem ritterlichen Feuermuth der alten Zeit, schlägt doch dies Herz weich für das Edle, Schöne, Große, das alle Zeiten schmückte. Er möchte, er könnte ein Volk erheben, es glücklich machen, denn seine Gaben befähigten ihn zu dem Höchsten. Und klar liegt vor seinem Gesichte die Vergangenheit, sein Auge blickt in die Zukunft. Warum ist dies Auge trüb? – Weil der Horizont trüb ist. Warum sank dieser Feuergeist, dessen Flügel der Sturm durchschnitt, der der Sonne entgegenblickte, ohne zu zucken, in den Schlamm zurück? Weil die Atmosphäre zu schwer ist, sein Feuerathmen sie nicht durchdringt, seine beredte Lippe umsonst redet, seine kühnen Vorstellungen an der Macht der Menschen, an der Zähheit, der Gewöhnung, an der Macht der grauen Alltäglichkeit abglitten. Da ward er muthlos, er verzweifelte. Erhabene Königin, wie sollte ich es wissen! Ich spreche nur, was die Stimmen der Tausende, die Lüfte mir zutragen, aber sie flüstern und rufen es laut: Das ist unser Loos. Dies Firmament erdrückt Die, die zum Besseren aufwallen. Es ist einmal so in diesem Reiche. Wer daran Schuld, sagten sie nicht, aber sie zählen viele, viele edle Geister, die im fruchtlosen Kampf verkamen, untergingen. Wenn der edelste Prinz, der tapferste Held, dessen Lob auf allen Zungen, den die Armee vergöttert, diesem Loose nicht entging, dürfen wir Die verdammen, die dasselbe gewollt, und auch ihre Flügel verbrannten, sie sanken, tief, tief – Dürfen wir sie versinken lassen.«
Luise hatte den Kopf halb abgewandt sinken lassen.
»Meine Königin ist nicht die grausame Richterin, welche die Edlen büßen lässt, was Elende verbrachen! Man sagt –« fuhr Adelheid mit gedämpftem Tone fort – »der Prinz wäre zu retten gewesen, wenn er ein edles Weib gefunden, das seine Gedanken und seine Sorgen getheilt, wenn eine seiner würdige Gattin, seinem Geiste nahe, seiner Liebe werth, ihn aufgerichtet. Er suchte, und – fand sie nicht. Man sagt, man flüstert es wenigstens, daß er Eine gesehen, und er wäre gerettet, er wäre geworden, sie sagen ein Gott. Aber er verschloß, entsagend, die brennenden Wünsche in der Brust denn – die Eine gehörte schon einem Andern!«
Adelheid fühlte, was sie gewagt, aber es war eine Macht über sie gekommen, der sie nicht widerstand, Auf Eine Karte war Alles gesetzt – Tod und Leben hieß die
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