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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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in schönen Redensarten sprechen, dachte sie, die nicht Jedermann versteht, die aber so schön klingen, daß man neugierig wird und zum Lernen Lust bekommt. Ihr Mann meinte, wenn die Stunden anfingen, werde er wohl gelehrter sprechen. Die Kriegsräthin aber wollte ihre Freundin, die Obristin, bitten, einmal bei dem Unterricht zugegen zu sein, um ihr aufrichtig zu sagen, ob der neue Lehrer was tauge.
    Nur über eins war sie beruhigt. Bei diesem Manne war für ihre Tochter keine Gefahr, auch wenn sie einmal nicht in der Stunde zugegen wäre. Er war ja viel älter, als sie gedacht und blaß und hatte auch einige Pockennarben, und tanzen konnte er gewiß nicht. Sie meinte, es ginge ihm wohl kümmerlich, obschon sie sich entsann, daß er einen feinen Rock trug; und, um ihm etwas Gutes zu erzeigen, dachte sie daran, ihm einen Freitisch anzubieten.
    »Das würde sich nun nicht schicken,« sagte der Kriegsrath, der andern Tages von Erkundigungen heim kam, die er im Interesse seines Kindes eingezogen. Zuerst hatten ihn die gescheitesten Leute versichert, der Herr van Asten wisse mehr, als in tausend Büchern steht, aber er habe den Tik, daß er das Sprüchwort zu schanden machen wolle: der spricht ja wie ein Buch. Das wäre überhaupt jetzt Mode, daß die gelehrten Leute nicht merken lassen wollten, daß sie gelehrt wären.
    Aber weit mehr verwunderte sich die Kriegsräthin, als sie erfuhr, Herr van Asten habe einen angesehenen Vater, den Prinzipal des alten Handlungshauses in der Spandauer Straße. Weil er jedoch zu der jungen ästhetischen Schule halte, die man Romantiker nennt, habe er sich mit seinem Vater überworfen, und sei aus dessen Hause gezogen, und nehme keine Unterstützung von ihm an, sondern er habe sich vorgesetzt, sich selbst fortzuhelfen. So knapp es ihm gehe, schlage er sich durch, und es könne ihm Niemand etwas nachsagen, als daß er stolz sei und andere nicht in seine Angelegenheiten blicken lasse.
    Die Kriegsräthin sah den jungen Mann schon ganz anders an, als er zur ersten Stunde kam. Er hatte neben dem feinen Rock auch ein feines Wesen. Nur gefiel es ihr auch heute nicht, daß er die Adelheid so viel sprechen ließ und selbst wenig sprach. Sie nahm sich vor, nachher ihrer Tochter zu rügen, daß sie ihre Unwissenheit so blos gegeben, aber wie war sie verwundert, als van Asten sie beim Fortgehen versicherte, daß Adelheid weit mehr aus sich heraus wisse, als er geglaubt, und daß sie sich selbst am besten unterrichten werde. Der Lehrer brauche nur wenig hinzuzuthun.
    Und wie unbefangen reichte sie ihm beim Abschied die Hand: »Auf Wiedersehen, Herr van Asten!« Das schien der Mutter gegen den Respekt und nicht schicklich. Adelheid sah sie aber groß an: »Wenn ich ihm nun gut bin, soll es sich nicht schicken, daß ich ihm die Hand schüttele?«
    Die Stunden hatten ihren Fortgang und Adelheid reichte jedes Mal beim Abschied dem Lehrer die Hand, als an einem schönen Tage die Obristin mit ihren Nichten vorfuhr, und die Mutter oder die Adelheid auffordern ließ, mit ihnen einen kleinen Abstecher ins Freie zu machen. Die Kriegsräthin entschied auf der Stelle für Adelheid. Mutter und Tochter wechselten jetzt die Rollen, indem die letzte fragte, ob es sich auch schicke, während die erste sagte, wenn ihre Tochter ein Vergnügen habe, sei es als ob sie selbst es genossen, und was sie denn für Bedenken haben könne?
    Als Adelheid am Abend zurückkehrte, waren alle Bedenken verschwunden. In der Aufregung der Freude flossen ihre Lippen über. Liebenswürdiger konnten Nichten und Tante nicht sein. Wie anmuthig war die Unterhaltung geflossen während der Spazierfahrt, wie rasch der Wagen dahin gerollt durch den Thiergarten. Als sie nach Hause fuhren, hatten die Nichten sie so dringend gebeten, einen Augenblick bei ihnen hinaufzuspringen. Die Tante meinte, es sei noch nicht alles eingerichtet. Aber die Nichten sagten: »
Chère tante,
sie muß doch Dein rothes Shawl sehen.« Und oben die Zimmerchen, es war so niedlich und fein, wie sie es nie gesehen, man fühlte den Fußboden nicht, solche weichen Decken lagen, und Sophas an allen Wänden, und schwere bunte Gardinen machten die Stuben dunkel, daß sie vor der Zeit Licht anzünden mussten. Keine Talglichte, sondern eine Lampe mit gedämpftem Glase, die an der Decke hing. Da hätte das Zimmer erst wunderbar schön ausgesehen. Leider war der Schlüssel verlegt zum Kasten, wo das rothe Tuch lag, und die Tante hatte gemeint, sie müsse es zuerst ein Mal bei Tage

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