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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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sehen, weil die Farben bei Licht ganz andere würden. Auch war ein Besuch gerade eingetreten, ein vornehmer Herr, vor dem es doch nicht schicklich war, Toilette zu machen. Der Herr hatte ihr zuerst gar nicht sehr gefallen, er war klein und hüftenlahm, und ging an einem Stock, der ihm als Krücke diente. Auch sein geröthetes Gesicht mit vielen Pickeln war hässlich. Aber sie hätte auch da bald eingesehen, wie der Schein trügen kann. Er war ein Kammerherr vom Hofe, der Herr von St. Real, den sie schon nennen gehört, der eine gelegentliche Vorfuhrvisite bei der Obristin machte. Er war die Artigkeit selbst gegen die Damen und auch gegen sie. Er sprach so fein und verbindlich, wie sie noch keinen Herrn sprechen gehört, und schien alles zu wissen, denn er lächelte fein zu Allem, was sie sagte, und machte dann eine Bemerkung, woraus sie sah, daß er die Sache kannte. Sie hatte nie geglaubt, daß die vornehmen Herrn so freundlich gegen Bürgerliche wären.
    Er hatte sich erkundigt, ob sie Klavier spiele und singen könne, und was ihre Lektüre sei, was sie zuerst nicht verstanden. Dann hätte er ihre Eltern sehr gelobt, daß sie ihr keine Romane in die Hände gaben, denn das sei alles nicht wahr, was darin stehe und verwirre die Phantasie.
    »Und denkt Euch,« fuhr sie auf, »er kennt auch Herrn van Asten! Denn er fragte, bei wem ich Unterricht hätte? Und als ich ihn nannte, sagte er, er hätte von ihm gehört, daß er ein sehr verständiger junger Mann wäre. Und den Beweis sähe er jetzt vor Augen. Ich wurde roth. Aber er fuhr fort: das Gute kommt doch wohl nicht alles vom Lehrer, sondern das Beste von den Eltern. Ich war wie übergossen, als er Deinen Namen nannte, Väterchen, und in meiner Verlegenheit fragte ich ihn, ob er Dich denn kenne? Ich selbst habe nicht die Ehre, antwortete er, aber der Name Ihres Herrn Vaters ist bei Hofe wohl bekannt und sehr gut angeschrieben.«
    Sie sprang auf, und fiel dem Vater um den Hals: »Väterchen, man kennt Dich bei Hofe!«
    Die Mutter wischte eine Thräne aus dem Auge. Der Vater meinte, man müsse auch nicht alles glauben, was die Leute uns ins Gesicht sagen.
    Nachdem hatte sich der Kammerherr empfohlen, so höflich und fast respektvoll, daß sie sich wieder geschämt, denn gegen die Nichten war er gar nicht so fein. Er hoffe sie ein andermal wieder zu sehen, und die Obristin hatte gesagt, das solle nächstens geschehen, auf eine Tasse Chokolade, wenn ihre Wohnung erst ganz in Ordnung sei, und darauf war sie mit dem Kammerherrn fortgefahren in die Oper. Ein Bedienter sollte Adelheid nach Hause bringen, aber die Nichten hätten es sich nicht nehmen lassen, sie selbst zu begleiten. Der Rückweg sei nun nicht so angenehm gewesen, denn sie wären oft angesprochen worden von unverschämten jungen Männern. Aber die Nichten hätten sie schön zurecht gewiesen: »Schämen Sie sich nicht, anständige Damen zu attaquiren?« Da hätten die Herren gelacht, aber die Nichten hätten sie um Gottes Willen gebeten, es der Tante nicht wieder zu sagen, denn sie würde sehr böse sein, weil sie die Adelheid wie ihren Augapfel liebte, aber sie hätten es auch ja nur gethan, weil sie sie noch mehr lieb hätten.
    Die Adelheid hatte in ihrer Aufregung und in ihrer Freude, daß ihr Vater bei Hofe bekannt sei, das Haus und die Straße vergessen. So wusste man noch immer nicht, wo die Frau Obristin wohnte.
     
Fünfzehntes Kapitel.
     
Auch eine Idylle.
    Der Minister saß in seiner Laube. Die Laube hatte die Aussicht auf den sehr großen Garten, von dem nur der kleinere Theil von Gärtners Hand in Blumenbeete und Weingelände geordnet war. Auf durchschnittenen Wiesen weideten Kühe mit Schweizergeläut.
    Vor dem Minister stand ein Tisch mit Akten und Schreibzeug. Neben ihm saß die Frau Ministerin.
    Der Minister saß in einer hellen linnenen Jacke und groben Haus- oder Gartenschuhen. Das Aktenstück lag schon lange aufgeschlagen vor ihm, die Dinte in der Feder war eingetrocknet, und der Kanzleibote hinter der Laube wartete eine halbe Stunde auf die Unterschrift des
Citissime
– denn der Minister horchte, den Kopf im Arm, auf das Schweizergeläut.
    Die Ministerin, in einem so einfachen Hauskleide, daß man sie für eine einfache Bürgerfrau gehalten hätte, wenn nicht ihre Haube mit Brüsseler Spitzen besetzt gewesen, und ein Mullumwurf den bloßen Hals bedeckte, strickte eifrig. Sie strickte blauwollene Strümpfe, und erzog ihre Kleinen, die an der Laube spielten. Wenn sie sich mit Sand warfen,

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