Ruhe Sanft
B. B. dazwischen. »Ich habe eine Nachricht für Wetzon.«
»Also, B. B., du mußt noch viel lernen«, zischte Smith wütend.
»Laß nur, Smith. Was für eine Nachricht, B. B.?«
»Hazel Osborn hat angerufen. Sie möchte, daß du zurückrufst.«
»Okay. Sonst noch was?«
»Nein.«
»Dann kannst du auflegen, B. B.« Smith’ Stimme war frostig. Sofort klickte es.
»Smith, also weißt du. Er hat doch nichts falsch gemacht.«
»Er hätte die Nachricht mir geben sollen, damit ich sie an dich weitergebe, Wetzon. Wenn das nun ein wichtiger Anruf gewesen wäre und er sich einfach in die Leitung eingeschaltet hätte? Du nimmst das viel zu leicht. Deshalb wirst du von allen ausgenutzt.«
»Was...« Ach, vergiß es, sagte sie sich. »Smith, tust du mir einen Gefallen?«
»Immer, Schatz.« Zuckersüß tröpfelte es durch die Leitung.
Wetzon hielt den Hörer ans andere Ohr. »Falls Silvestri anruft, sag ihm, wo wir sind — Katerina’s und dann Yorkeby’s. Okay?«
»Selbstverständlich. Du kannst dich auf mich verlassen.«
Sie legte auf, steckte einen weiteren Vierteldollar in den Schlitz und wählte Hazels Nummer. Die Leitung war besetzt.
Sie trat hinaus auf die Sixth Avenue. Michael Stewart war nicht zu sehen, und so überquerte sie die Straße und ging in Richtung Fifth Avenue. Der Bühneneingang der Radio City Music Hall war nicht weit, und die Tür stand offen. Die Tänzer machten Pause, aßen und schwatzten.
Wetzon blieb eine Weile stehen und betrachtete die Gruppe der Mädchen in Probenkleidung, hoch ausgeschnittene Trikots, glänzende Strumpfhosen, Beinwärmer, Plastiktrainingshosen, T-Shirts und Sweatshirts, zusammengerollte Handtücher um lange schlanke Hälse. Sie schloß einen Moment die Augen, um wehmütig den Geruch nach Parfüm, Schweiß und Make-up zu atmen, und fühlte sich von einem leisen Verlangen näher an die Tür gezogen — wie eine Voyeurin.
»Wetzon! Bist du’s wirklich?« Sie schlug die Augen auf. Eine Tänzerin löste sich aus der Gruppe.
»Margie.« Wetzon ging durch die offene Tür und umarmte das geschmeidige Geschöpf, ein auffälligeres Double von ihr, mit einem rötlichen Ballerinenknoten. Margies Brustbein und Schlüsselbeine waren scharf ausgeprägt. Sie hatte keine Faser überschüssiges Fleisch.
Sie standen sich gegenüber und hielten sich an den Armen.
»Du siehst phantastisch aus...«
»Du auch.«
»Seit Chorus Line haben wir uns nicht...«
»Weißt du noch...«
»Wie geht es dir?«
»Was hast du die ganze Zeit gemacht?«
»Headhunterin? Du liebe Güte, und was macht Carlos?«
»Du solltest ihn mal anrufen.«
»Ich hatte es auch vor. Ich bin schon seit sechs Monaten hier. Ich bin glücklich, daß ich das hier habe — eine feste Arbeit, meine ich.«
»Deine Kleine...«
»Acht inzwischen. Kaum zu glauben, was? Darren ist in Kalifornien drüben. Er ist wieder verheiratet.«
»Das wußte ich nicht.« Make-up konnte die Altersfalten um Augen und Mund nicht überdecken.
»Die Pause ist um.« Die Tänzer und Tänzerinnen verschwanden nach und nach im Bühnenbereich der Music Hall.
»Ich muß wieder rein.«
»Schade.« Wetzon war wehmütig zumute.
»Mach’s gut. Wetzon.«
»Du auch, Margie. Ruf Carlos an.«
»Mach ich.«
Die Begegnung mit Margie Lewis deprimierte Wetzon. Alte Tänzerinnen. Was machten sie? Sie hatten Glück, wenn sie Stellen bekamen. Was konnten sie machen?
Die Lust zum Einkäufen war Wetzon vergangen. Als sie zu Saks kam, ging sie zu den Telefonzellen auf Straßenebene und versuchte es noch einmal bei Hazel.
Eine Frauenstimme mit starkem Akzent antwortete nach dem vierten Klingeln. Einen Moment lang hatte Wetzon ein Dejä-vu-Gefühl. Die Frau hörte sich wie Ida an.
»Entschuldigen Sie vielmals. Ich muß mich verwählt haben. Ich wollte Ms. Hazel Osborn anrufen.«
»Sie haben rrichtige Nummer«, sagte die Stimme. »Ms. Osborn rruht.«
»Mit wem spreche ich?«
»Ich bin Basha. Privatpflegerin.«
Wetzon schlenderte durch die Designer-Boutiquen im ersten Stock von Saks, ohne sich auf die Kleider konzentrieren zu können. Sie hatte bei Hazels Pflegerin hinterlassen, daß sie noch einmal anrufen würde. Sie war von der Pflegerin so überrascht gewesen, daß sie nicht einmal ihren Namen hinterlassen hatte.
»Suchen Sie etwas Bestimmtes?« Die schicke junge Verkäuferin mit karibischer Sonnenbräune und hellen Streifen im Haar war ein unabsichtlicher Störenfried. Klotzige goldene Armbänder klirrten, während die Frau die Kleider auf
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