Ruhe Sanft
dem Ständer glattstrich. »Wir haben nicht mehr viel in Ihrer Größe da.«
Wetzon starrte sie mit leerem Blick an. »Danke. Ich überlege nur — ich meine — ich schaue mich nur um.«
Doch sie überlegte wirklich. Gehörte diese Privatpflegerin zu Hazels geheimnisvollem Plan, oder ging es Hazel jetzt so schlecht, daß sie nicht mehr selbst für sich sorgen konnte?
»Nein«, sagte sie leise. So schnell konnte das nicht gehen. Besorgt fuhr sie auf der vollen Rolltreppe zur Straßenebene und wartete geduldig, bis ein Mann im Lammfellmantel, der einen Notizblock und einen Piepser auf dem Brett liegen hatte, das Telefon freigab.
Sie wählte Hazels Nummer.
»Hallo.« Gut. Es war Hazel. Wetzon war so erleichtert, daß sie an einem Kloß in der Kehle schlucken mußte und nicht sofort antworten konnte. »Hallo?«
»Hazel, Sie sind es.« Sie setzte sich zittrig auf den winzigen Ecksitz in der Telefonzelle.
»Hallo, meine Liebe, wie geht es Ihnen?« Klang Hazels Stimme ein wenig fremd, ein wenig förmlicher als normal?
»Um Sie mache ich mir Sorgen. Mir geht’s gut.«
»Es geht mir wirklich recht gut. Basha ist einfach wunderbar. Sie kümmert sich so reizend um mich, nicht wahr, Basha? Ich hätte große Lust auf eine Tasse heißen Tee, Basha, seien Sie so gut.«
»Sie steht wohl direkt neben Ihnen?«
»Natürlich, ich würde mich schrecklich freuen, wenn Sie und Ihr netter junger Freund heute abend kommen möchten.«
Wetzon hörte ein leises Klicken, als habe jemand das Telefon abgehoben und höre mit. Sie antwortete. »Wir dachten, wir kommen nach dem Abendessen auf einen Sprung vorbei. Paßt das?«
»Prima, meine Liebe.«
»Brauchen Sie etwas?«
»Nein, nein. Ich werde wunderbar umsorgt.« Jetzt klickte es wieder, als habe jemand aufgelegt. Dann flüsterte Hazel mit vor Aufregung fiebriger Stimme: »Rufen Sie mich später an.« Die Verbindung war unterbrochen.
Wetzon warf noch einen Vierteldollar ein, ohne auf die länger werdende Schlange ungeduldiger Menschen zu achten. Sie wollte Silvestri im 17. Revier anrufen.
Sie erreichte Metzger.
»Er ist noch in der Stadt«, brummte Metzger.
»Fragen Sie ihn, wenn er vorbeischaut oder hochfährt, ob er mich so um sieben bei Hazel Osborn treffen kann. Es ist wichtig. Ich rufe später zurück.« Wetzon räumte die Telefonzelle für einen weichlichen Mann mit knöchellangem schwarzen Nerz und hellblauer Einkaufstasche von Tiffany’s. Sie knöpfte ihren Mantel zu, schlug den Kragen hoch und marschierte die Madison Avenue hoch zum Burger Heaven an der 54. Street. Sie hatte noch Zeit für einen Hamburger, ehe sie sich mit Smith traf.
Das Restaurant war überfüllt. Sie bestellte ihren Lieblingshamburger, nicht ganz durch und mit Roquefort, dazu koffeinfreien Kaffee, dann schlüpfte sie aus ihrem Mantel und legte ihn über die Stuhllehne. Geschirr klapperte, Stimmen — laut und in allen Tonlagen, eine Mischung aus asiatischen, indischen, Brooklyner und New Yorker Akzenten.
Warum wollte Hazel Silvestri sehen? Bedeutete das, daß sie auf etwas gestoßen war? Jedenfalls war Wetzon entschlossen, Hazel beim nächsten Anruf nach dem Namen des Privatpflegedienstes, den sie benutzte, zu fragen. Der Verein, den Teddy erwähnt hatte, trug den unvergeßlichen und unheimlichen Namen Tender Care.
Aus dem Hamburger sickerte Fleischsaft und geschmolzener Roquefortkäse. Sie starrte auf die blutige Schmiere an ihren Fingern und auf dem Teller und würgte, während sie den angebissenen Rest hinlegte. Sie breitete die Serviette über den Teller, damit sie nicht hinsehen mußte, deckte die Leiche zu. Es war wie eine Rückblende. Sie fand ein Reinigungstuch in ihrer Tasche und wischte sich die Hände und den Mund ab.
»Hier ist Ihr Kaffee, bitte sehr.« Die Bedienung stellte die Tasse hin. »Kann ich den Teller abräumen?«
Wetzon nickte. Flink räumte die Frau auch vom nächsten Tisch die Teller ab, stapelte sie auf einem Arm und wischte dabei den Tisch für die nächsten Kunden ab. Es war eine Freude, ihr zuzuschauen — eine echte Fachkraft-gut über fünfzig, schätzte Wetzon, faltig, stark geschminktes Gesicht, gelblichrosa gefärbtes Haar, starke ausgeprägte Muskeln an den Armen und Schultern. Das war ihr Metier, und man sah es deutlich. Sie war nicht bloß eine weitere Schauspielerin oder Tänzerin, die auf den großen Durchbruch wartete wie so viele Kellner und Kellnerinnen in Manhattan.
Smith stieg vor der Galerie an der 57. Street aus dem Taxi, als Wetzon auf das
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