Ruhe Sanft
Irgend jemand paßt auf mich auf.«
»Ich sage es dir, wenn ich heute abend meine Karten befragt habe.« Smith spielte darauf an, daß sie Tarockkarten legte. »Wann triffst du ihn?«
»Morgen. Vielleicht nach vier im Büro.«
»Wie dumm, Wetzon, meine Party ist morgen abend. Du weißt doch, daß ich zeitig gehen muß.«
»Du brauchst ihn nicht zu treffen, Smith.«
»Will ich aber.« Smith war gereizt.
»Möchtest du lieber, daß ich ihm absage und ihn verliere?« Smith konnte sich manchmal so lächerlich aufführen. Obwohl sie älter war als Wetzon, fühlte Wetzon sich häufig reifer.
Smith antwortete mit einem entschiedenen »Hm!«
»Hör zu, Smith, ich bin fix und fertig. Ich sehe dich morgen.«
»Halt, Wetzon, eine Minute. Ich habe vergessen, dich zu fragen: War es ihre eigene Wohnung?«
»Was? Was für eine Wohnung?«
»Die von der Frau, die sich umgebracht hat, natürlich, was denn sonst? Ich möchte, daß du Hazel in meinem Auftrag fragst. Vielleicht kann ich sie zu einem guten Preis bekommen. Falls Leon und ich heiraten... dann brauchen wir eine größere Wohnung.«
Wetzon durchstöberte ihren Speiseschrank. Es war nicht viel darin. Seit Carlos Choreograph geworden war, besuchte er sie nur sporadisch, und sie mußte sich selbst mit Lebensmitteln eindecken. Vorjahren, als es mit Carlos’ Karriere als Tänzer bergab ging, hatte er sich auf Haushaltsführung verlegt. Sein Unternehmen war so erfolgreich, daß er bald ein Heer von arbeitslosen Tänzerinnen und Tänzern hatte, die in Häusern überall in der Stadt saubermachten und kochten.
Sie schloß die Tür, machte sie gleich wieder auf, nahm eine Büchse Thunfisch heraus und stellte sie auf die Arbeitsplatte.
»Im Zweifelsfall ist ein Baguette immer richtig«, sagte sie laut und schnitt ein Sesambaguette durch.
Sie ging ins Eßzimmer und schaltete den Anrufbeantworter ein.
»Hallo, Freude meines Lebens, hier ist der junge Choreograph, der dich wissen lassen möchte, daß an der Front alles in Ordnung ist. Ich komme morgen im Lauf des Tages vorbei. Habe es im Büro probiert und den Barrakuda in der Leitung gehabt, und ich bin sicher, daß sie es nicht ausgerichtet hat.«
Carlos. Und er hatte recht. Der Barrakuda, sonst als Smith bekannt, hatte ihr nichts gesagt. Smith und Carlos konnten sich nicht riechen.
»Hallo, Kumpel«, sagte Wetzon zum Anrufbeantworter. »Ich spreche später mit dir.«
Der Apparat piepte. Der nächste Anrufer hatte aufgelegt. Noch ein Piepton. Dann dröhnte »There’s no business like show business« mit großem Orchester vom Band. Ein typischer Carlos-Gag. Das machte er immer, wenn er auf ihrem Band die alten Nachrichten löschte, etwas, das ihr immer zu lästig war.
Die Wohnung war kalt. Sie schleppte sich fröstelnd ins ‘ Schlafzimmer und zog einen Trainingsanzug und dicke Socken an. Es wurde an diesem Abend langsam warm, weil der Thermostat mit dem plötzlichen Temperatursturz am Morgen nicht Schritt gehalten hatte. Draußen rüttelte der Nordwind an den Fenstern.
Durch die Holzläden konnte sie die Bäumchen um das Penthouse des Gebäudes hinter ihrem sehen, die sich schüttelten und bogen. Während sie hinausschaute, brach der Stengel einer riesigen Sonnenblume ab und schlug an ihr Fenster. Sie sprang zurück. Die welke Sonnenblume klammerte sich mit winzigen vertrockneten Ranken an das Glas, als wäre sie menschlich, versuchte sich festzuhalten, schaffte es nicht und wurde schließlich weggerissen.
Ganz hinten in Wetzons Kopf tanzte etwas so ähnlich, klammerte sich fest, neckte sie. Peepsie Cunningham in dem dunkelblauen Seidenkleid, wie eine Stoffpuppe im peitschenden Wind inmitten des Unrats, der aufgewirbelt wurde.
Der winzige dunkelblaue Gucci-Straßenschuh mit den goldenen Bügeln. Sie nahm ihn heraus und starrte ihn an. Es war ein echter Gucci, mit Monogramm und allem, kein nachgemachter, und er war kaum getragen. An der Sohle waren nur wenige Kratzer. Sie hob ihn hoch und hielt ihn vergleichend an die schwarzen Wildlederstiefel, die sie vorhin ausgezogen hatte.
»Du hast große Füße, Kind«, imitierte sie Silvestri, wie er Bogart imitierte.
Silvestri. Als sie an ihn dachte, lächelte sie. Sie hatte ihn letztes Jahr kennengelernt, als sie in den Mord an Barry Stark verwickelt worden war. Silvestri hatte Substanz, und es war eine echte Beziehung. So echt, wie das bei zwei Menschen mit zwei Berufen und völlig unterschiedlichen Arbeitszeiten möglich ist.
Sie stellte Peepsie Cunninghams Schuh
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