Ruhe Sanft
auf den Teppich neben ihre Stiefel, setzte sich auf und rief Silvestri im 17. Revier an.
»Metzger.«
»Hallo, Artie. Ist er zufällig da?«
»Nein, er ist in der Stadt.« Die Stimme von Silvestris Partner war rauh vor Müdigkeit. »Es ist gerade was passiert, und wir haben, glaube ich, eine lange Nacht vor uns.« Sie konnte sich Metzger vorstellen, sein langes, jämmerliches Gesicht und die Tränensäcke unter den Augen, zusammengesackt vor dem unaufgeräumten Schreibtisch in dem Büro, das er mit Silvestri teilte.
»Okay, ich kann’s hören«, sagte sie. Sie hatte Silvestri drei Tage nicht gesehen, zwei Tage nicht mit ihm gesprochen. Sie vermißte ihn. »Sagen Sie nur, daß ich angerufen habe.«
»Möchten Sie, das ich was Bestimmtes ausrichte?« fragte Metzger halbherzig.
»Nein, Artie, danke.« Sie hielt inne und runzelte die Stirn. »Doch. Daß er mich nicht anrufen soll. Ich habe ein Frühstück um halb acht und gehe zeitig schlafen. Ich spreche morgen mit ihm.«
Die Geschichte mit Peepsie Cunningham konnte warten. Mrs. Cunningham war schließlich ein Selbstmord, kein Mord.
Wetzon legte sich wieder aufs Bett und faltete die Wolldecke in Rot, Weiß und Blau auf, die sie und Carlos in den Pausen hinter der Bühne zu Ehren der Zweihundertjahrfeier gehäkelt hatten, als sie 1976 für Bob Fosse in Chicago tanzten. Sie hatten ausgemacht, sich die Decke zu teilen, jeweils für ein Jahr, und dies war ihr Jahr — wenigstens bis zum 4. Juli. Sie dachte an die Choreographen, mit denen sie und Carlos gearbeitet hatten und die nicht mehr lebten. Zuerst Gower Champion. Und dann waren Michael Bennett und Bob Fosse beide 1987 gestorben. Es machte sie traurig und melancholisch.
Sie zog die Wolldecke bis über die Ohren hoch und dachte an Silvestri.
In Wahrheit war sie verrückt nach ihm, aber es fiel ihr nicht leicht, das einzugestehen. Sich selbst nicht. Und erst recht nicht ihm. Würde sie nicht, wenn sie es zugab, allmählich immer abhängiger von ihm werden und weniger selbständig? Sie war lange allein gewesen, und außer einigen kurzen — sehr kurzen — Affären hatte es niemanden mehr gegeben seit Bud Silverberg, den sie auf dem College kennengelernt hatte. Er war bei der Air Force im exotischen Marokko gewesen. Er hatte einfach aufgehört zu schreiben, und sie hatte nicht lange danach von einem gemeinsamen Freund erfahren, daß er sich in eine Marokkanerin verliebt und sie geheiratet hatte.
»Ich kann es nicht fassen, daß er dir nichts gesagt hat«, hatte der Freund gemeint.
Ich auch nicht, hatte sie gedacht.
Sie rollte sich unter der Wolldecke zusammen. Silvestri. Smith hatte keinen Schimmer, wenigstens hoffte Wetzon das inbrünstig. Nur Carlos ahnte es und das nur, weil er sie so gut kannte. »Er paßt gut zu dir«, sagte Carlos. Sie hatten gemeinsam Grundübungen an der Barre gemacht. »Und du weißt, daß ich das nicht so dahinsagen würde. Ich mag Bullen nicht.«
»Er ist Detective«, korrigierte sie automatisch, während sie ein Bein leicht beugte und streckte und langsam an die Barre hob.
»Scheiße, er ist ein Bulle.« Carlos hatte ihr den Rücken zugewandt und machte die gleiche Bewegung. »Aber ich mag ihn trotzdem, und ich mag, wie er zu dir ist.« Er kam wieder in die erste Position. »Und sieh dich einmal an — du strahlst in letzter Zeit immer so. Komm, ich zeige es dir.« Er drehte ihren widerstrebenden Körper zum Spiegel um, und sein hübsches Gesicht war dieses eine Mal ernst. »Sieh doch. Alle Kanten werden weich. Das ist die Nebenwirkung von gutem Sex«, fügte er mit einem anzüglichen Grinsen hinzu.
Sie hatte gespürt, daß sie rot wurde, aber es stimmte. Wenn sie mit Silvestri zusammen war, konnte sie fühlen, wie alle Spitzen, wie Carlos dazu sagte, weich wurden. Kinn, Nase, Ellbogen, Knie. Sie fühlte sich dahinschmelzen, und sie konnte sich nur zum Teil darüber freuen. Sie mochte es nicht, wenn sie nicht alles unter Kontrolle hatte.
»Verdammt, Carlos«, hatte sie gesagt und mit dem Handtuch nach ihm geschlagen. »Du hast in meinen Gedanken nichts zu suchen.«
»Hör zu, Herz«, sagte er zärtlich und duckte sich zu spät. »Ich bin dein bester Freund, und ich liebe dich wie eine Mutter, wie ein Bruder. Und ich weiß, daß du mich liebst. Aber es ist ungefährlich, mich zu lieben, weil du weißt, daß ich nie etwas anderes tun werde, als dich lieben.«
Sie kehrte ihm den Rücken, über die Barre gebeugt, und Carlos trat hinter sie und legte die Hände auf ihre
Weitere Kostenlose Bücher