Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ruhe Sanft

Ruhe Sanft

Titel: Ruhe Sanft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
Vom Netzwerk:
Unterfangen einließen. »Meinst du, wir sollten einfach bei Tsminsky’s nach Ida fragen und sagen, daß ich eine alte Tante habe, die pflegebedürftig ist oder so was?«
    »Die halten hier fest zusammen und sind sehr mißtrauisch gegen Fremde. Schwer, alte Gewohnheiten abzuschütteln.«
    »Der KGB kriegt dich, wenn du nicht aufpaßt?«
    »Du hast es erfaßt. Wir könnten hingehen, unseren Namen hinterlassen und sagen, wir gehen auf einen Drink ins Baltic, und sie kann uns dort finden? Dann fühlen sie sich nicht unter Druck gesetzt, und wir können im Warmen warten. Vielleicht können wir von den Leuten dort auch ein paar Informationen bekommen.« Er holte weit mit dem Arm aus. »Wir fahren eben an dem berühmten Kings Highway vorbei.«
    Sie schaute zum Himmel. Das Blau war grau geworden. Sie fröstelte und kurbelte das Fenster hoch. »Ich glaube, es wird nicht mehr lange hell sein.«
    »Wie alt ist er, dein Makler Tormenkov?«
    »Ende Zwanzig.« Sie rieb die Hände und zog die Handschuhe an. Es war kalt. »Warum kannst du nicht warten, bis ich dir alles erzähle?«
    »Weil ich Reporter bin und hier etwas richtig Großes rieche.«
    Ein stürmischer Wind schüttelte die weiß überzogenen Bäume mit Macht, als sie sich dem Atlantischen Ozean näherten. Es sah beinahe so aus, als bliesen die schneidenden Winde, die über das Wasser hereinkamen, den Schnee ins Land hinein, fort von den Stränden. Es gab immer viel weniger Schnee nahe am Meer, oder so war es ihr wenigstens als Kind vorgekommen, als sie in New Jersey in der Nähe der Seaside Heights gewohnt hatten.
    »Sahen er und Ida sich ähnlich«?
    »Kein bißchen. Es ist wahrscheinlich bloß Zufall. Tormenkov ist vielleicht in Rußland so ein verbreiteter Name wie Smith bei uns.« Sie sagte es, aber sie glaubte es selbst nicht.
    Teddy fuhr schwungvoll um eine Kurve und dann eine breite Straße mit baufälligen Läden hinunter, Kleidergeschäften, Reinigungen, einem Pelzhändler, dem Restaurant Odessa, das die Markise eines Kinos hatte, und einem mit Brettern vernagelten Möbelgeschäft. Auf der anderen Straßenseite sah sie einen vom Wind gefegten Bürgersteig und dahinter den Strand und den Ozean.
    »Ich zeige dir eben die Brighton Beach Avenue«, sagte Teddy, »dann parken wir hinter dem Baltic. Dort ist ein Parkplatz, und wir fallen nicht so auf.« Sie fuhren an einem Kino vorbei, in dem Conan der Barbar lief. Die Menschen auf der Straße sahen fremd aus, und es waren gar nicht so wenige, die geschäftig unterwegs waren, die Schals vors Gesicht gezogen, die Hände am Hut. Die Männer trugen anliegende Mützen oder Baskenmützen. Kräftige Frauen in verschiedenen Versionen der allgegenwärtigen wattierten Polyesterjacken hatten wollene Kopftücher unter dem Kinn gebunden und trugen formlose Plastikeinkaufstaschen. Alle schienen in mittleren Jahren oder älter zu sein. »Wo sind die Kinder? Wo sind die jungen Leute?« fragte sie laut.
    »Sie treiben sich nicht herum.« Teddy deutete nach links »Dort ist dein Ice Cream Shoppe.« Er sprach das >e< als zweite Silbe mit.
    »Es ist offen.« Ein kleiner Adrenalinstoß schoß durch sie.
    Er führ eine Querstraße weiter. Auf der fast schneefreien Straße rasselten die Ketten. »Da ist das Baltic. « Er bog zweimal links ab und fuhr auf einen Parkplatz, auf dem schon einige Wagen standen. Der Rover war der einzige ohne eine weiße Schneedecke darauf. Der Parkplatz selbst war vom Wind fast freigefegt.
    Wetzon packte die Reste des Sandwiches, das Einwickelpapier und die leeren Kaffeebecher zusammen und nahm sie mit, als sie aus dem Rover rutschte. »Erstaunlich, wie wenig Schnee hier ist«, sagte sie.
    Er nahm die Schachtel mit dem Abfall an sich und ließ sie auf eine übervolle Mülltonne fallen, als sie den Parkplatz verließen.
    Wetzon schlang einen Träger des Rucksacks über die Schulter, womit er zur Umhängetasche wurde, und sah sich um. Die Sonne hatte für diesen Tag aufgegeben, und die Luft war bitter kalt. Vermutlich drückte die zusätzliche Kühlung durch den Wind die Temperatur weit unter Null. Sie angelte die lavendelfarbene Baskenmütze aus dem Rucksack und zog sie über die Ohren. Die Sonnenbrille klappte sie zusammen und steckte sie weg.
    Sie gingen direkt zur Brighton Beach Avenue.
    »So, da sind wir.« Teddy blieb vor Tsminsky’s Ice Cream Shoppe stehen. Im rußigen Schaufenster waren verstaubte billige Eiscremeattrappen aus Plastik an einem weißen Brett aufgehängt. Ein trauriger Früchtebecher mit

Weitere Kostenlose Bücher