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Ruhe Sanft

Ruhe Sanft

Titel: Ruhe Sanft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
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rosa Eiscreme, ein Eiscremedrink mit einem schmutzigen Strohhalm und ein Bananensplit mit orangenen Bananen. Ein schmieriges schwarzes Brett führte Sandwiches und Preise an. Thunfisch war mit $ 1.50 angegeben. Ein Schild im Fenster mit unbeholfener Handschrift und fehlerhafter Rechtschreibung nannte als Tagesgerichte hausgemachten Borschtsch und Kohlrouladen für $ 5.00. Daneben stand es auf Russisch. Kyrillische Buchstaben.
    »Die Preise sind nicht zu schlagen«, meinte Wetzon.
    »Also dann.« Als er die verwitterte Tür öffnete, klingelte eine Glocke.
    Hinter der Theke füllte eine untersetzte Frau, den Kopf voller dunkler Pomadelocken, Wasser in eine Kaffeemaschine. Sie drehte sich beim Klingelton um, stellte den rostfreien Stahlkrug hin und wischte die breiten Hände an der Schürze ab. Sie hatte tiefliegende dunkle Augen. Ihr Blick ging von Teddy zu Wetzon und blieb dann auf Teddy liegen. Sie räusperte sich nervös.
    Ein Mann saß am anderen Ende der schmuddeligen Theke und schlürfte geräuschvoll Suppe von einem großen Löffel. Er sah zu ihnen herüber und legte laut den Löffel ab. Sein Körper straffte sich.
    Wetzon sah Teddy an. Glaubten sie, nur weil er schwarz war, habe er vor, sie auszurauben? Oder lag es an etwas anderem? »Was kann ich für Sie tun?« fragte die Frau mißtrauisch. Unter der Schürze trug sie einen weinroten Wollpullover mit einem winzigen Muster. Er sah handgestrickt aus.
    »Sind Sie Mrs. Tsminsky?«
    Die Frau nickte kaum merklich und sah zu ihrem Mann hin. »Ich möchte gern Kontakt mit Ida Tor...« Die Frau unterbrach ihn aufgeregt. »Ich weiß nichts.« Der Mann kam um die Theke herum und baute sich neben der Frau auf. »Lassen Sie uns in Ruhe«, rief er. »Wir wissen nichts. Sie kein Recht — wir in Amerika... Sie gehen weg...« Seine Stimme war flehend und verriet Angst.
    »Mr. Tsminsky... Mrs. Tsminsky, bitte«. Wetzon bekam es mit der Angst zu tun. »Ich möchte Ihnen nicht schaden. Ich versuche nur, Kontakt mit Ida aufzunehmen.« Sie spürte Teddys Arm auf ihrer Schulter. »Meine Tante ist alt. Ich brauche jemand, der sich zuverlässig um sie kümmert...« Die Augen der Frau veränderten sich. Sie warf einen Blick auf ihren Mann, dessen Hände auf dem Schneidebrett neben ein paar Blättern Kopfsalat und mehreren Scheiben wächserner Wintertomaten lagen.
    Eine schattenhafte Gestalt blieb vor dem Fenster stehen und schien die Speisekarte zu studieren. Tsminsky schaute hinaus. »Nein, nein«, murmelte er. Er sah wieder Wetzon und Teddy an. »Nein«, sagte Tsminsky, diesmal laut. »Sie machen Ärger, gehen Sie, lassen Sie uns in Ruhe!«
    »Sie bringen Ida um eine gute Stelle«, warf Teddy ein.
    »Genau.« Wetzon nickte. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie ihnen einen Schrecken eingejagt hatte. »Wir warten eine Weile im Baltic. Wenn Sie Verbindung mit Ida aufnehmen können, kann sie uns vielleicht dort treffen.«
    Die Frau schaute wieder zu ihrem Mann, während ihre Hände zwanghaft mit dem Schürzensaum spielten, ihn rollten und entrollten. Die Bewegung war hypnotisch einschläfernd.
    »Halt! Nein!« schrie Teddy, stieß gegen sie, warf sie gegen die Tür, ehe sie merkte, was ihr geschah.
    »Was...« Wetzon war durch Teddys Schulter die Sicht versperrt. Teddy packte sie kraftvoll, hob sie hoch, warf sich herum hinter sie und drückte mit aller Gewalt. Die Tür gab unter dem Druck ihrer Körper nach.
    Da erst sah sie das lange Fleischermesser in der Hand des Mannes, dessen Augen wild und voller Angst waren.
    Sie hörte die Frau schreien.

»Verdammt, jetzt würde mir eine Zigarette guttun.«
    Sie standen nach Luft ringend auf dem Bürgersteig vor Tsminsky’s Ice Cream Shoppe. Teddys dunkle Haut hatte in dem fahlen Licht eine fast graue Tönung. Trotz der extremen Kälte standen Schweißperlen auf seiner Oberlippe und der Stirn.
    »Bitte, Teddy...« Er schritt weit aus und zerrte Wetzon hinter sich her. Es war alles so schnell gegangen, daß Wetzon keine Zeit gehabt hatte, sich zu fürchten. Und sie hatte auch jetzt keine Angst. Sie war neugierig. Warum diese gewalttätige Reaktion? Tsminsky hätte nur zu sagen brauchen, geht, geht weg. Sie erinnerte sich, was Eddie O’Melvany über angeborene Paranoia gesagt hatte.
    Der Atlantikwind blies wie mit Nadelspitzen auf ihre Wangen. Die Schweißtropfen auf Teddys Gesicht wurden zu Eis. Teddy blieb erst vor dem Café Baltic stehen. Fast widerwillig ließ er sie los, nachdem er sich zuerst vergewissert hatte, daß der

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